Herrscher
gelaufen, hatte aber das Gefühl, dadurch an Würde zu verlieren. Sobald Kovok-mah sie sah, beschleunigte er seine Schritte.
»Was ist geschehen?«, fragte Dar, als sie sich trafen.
»Auf der Landstraße kamen viele Washavoki heran.«
»Zwei Schildronen«, ergänzte Sevren in menschlicher Sprache. »Infanteristen und drei berittene Offiziere.«
»Wir haben Sevrens Rat befolgt«, erzählte Kovok-mah. »Wir blieben ruhig und still, sahen aus wie Schnee, hielten Äxte und Schwerter bereit. Die Washavoki marschierten vorbei, ohne uns zu bemerken. Als Sevren zum Angriff rief, sprangen wir auf. Die Washavoki waren nur wenige Schritte entfernt. Viele starben sofort, andere setzten sich zur Wehr.«
»Sind Washavoki entkommen?«, fragte Dar.
»Alle sind tot«, antwortete Kovok-mah.
»Ich habe sie zuerst die berittenen Offiziere angreifen lassen«, sagte Sevren. »Kol wird nicht erfahren, was sich ereignet hat.«
»Wie viele Söhne haben Schaden genommen?«, lautete Dars nächste Frage.
»Sieben wurden erschlagen, dreizehn verwundet«, gab Kovok-mah Auskunft. »Ich glaube, vier der Verwundeten werden bald zu Muth’la gehen.«
»Also elf Tote«, fasste Dar zusammen. Es schnürte ihr die Brust ein.
»Aber sie haben zwei Schildronen vernichtet«, sagte Sevren. »Siebenundfünfzig Mann.«
»Von Tausenden, die Kol gegen uns aufbietet«, erwiderte Dar. »Werden wir immer so viel Glück haben? Was soll werden, wenn er das nächste Mal ein ganzes Regiment schickt?« Sie schaute Kovok-mah an. »Ich möchte die Verwundeten segnen und ihnen für ihr Opfer danken. Danach muss ich entscheiden, was wir weiter tun.«
Auf schnellstem Wege suchte Dar die Stätte des Gefechts auf. Der Anblick, der sie dort erwartete, war so grauenvoll, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Die vier Schwerverwundeten lagen rücklings, umgeben von karmesinrot verfärbtem Schnee, an einem Baum. Sie hatten grässliche Verletzungen davongetragen, litten aber stumm. Einer starb, während Dar ihn segnete. Als Dar mit den Verwundeten sprach, zerlegten Söhne die drei getöteten Pferde und schleiften die gefallenen Washavoki in den Wald. Dar versuchte, in ihnen nur Feinde zu sehen, aber der Tod ließ sie harmlos erscheinen. Viele waren erst junge Burschen gewesen.
Sobald Dar zum Versteck der Mütter zurückgekehrt war, berief sie eine ungewöhnliche Ratsversammlung ein. Sie bestand
aus zwei Matriarchinnen – Muth-yat und Muth-pah –, drei Müttern, nämlich Nir-yat, Zor-yat und Yev-yat, den zwei Söhnen Kovok-mah und Zna-yat sowie drei Washavoki: Sevren, Königin Girta und Dedrik. Der Sustolum war unfreiwilliger Teilnehmer. Dar hatte sich gesorgt, er könne sich als wenig redewillig erweisen, doch Girtas Erscheinen verblüffte und verwirrte den Offizier.
»Majestät«, rief er. »Ihr lebt?!«
»Nun verstehst du, wie ungeheuerlich der Verrat eures Generals wirklich ist«, sagte Dar.
»Ohne den Beistand der Ork-Königin wäre ich jetzt tatsächlich tot«, erklärte Girta. »Stimmt es, dass mein Sohn sich beim Heer aufhält?«
»Jawohl, Majestät.«
»Wie geht es ihm?«
»Nicht gut«, bekannte Dedrik. »Ein Winterfeldzug ist mit besonderen Härten verbunden, und Kol ist ein strenger Feldherr.«
»Aber mein Sohn ist doch der König.«
»Im Feld zählt so etwas wenig, Majestät. Er ist ein Knabe und steht unter der Knute des Generals.«
Dar hatte den Wortwechsel geduldet, weil sie glaubte, er könne aufschlussreich sein, doch nun unterbrach sie ihn, um sich nach dem zu erkundigen, was sie am stärksten beunruhigte. »Dedrik, was weißt du über Othar?«
»Den Magier des früheren Königs? Dass Ihr ihn getötet habt.«
»Leider nicht. Ich bin mir sicher, dass er in der schwarzen Sänfte hinter eurem Heer herzieht. Berät er General Kol?«
» Er treibt uns also an? Kein Wunder, dass die Männer Bammel haben.«
»Beantworte meine Frage!«, befahl Dar.
»Die verfluchte Bande hält sich von uns getrennt. Nur einer besucht den General. Gorm. Einmal habe ich sie miteinander reden hören.«
Dar sah Girta und Sevren an. »Ist euch der Mann ein Begriff? «
Sevren schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihn für irgendjemandes Diener gehalten«, sagte hingegen Girta. »Einen Niemand.«
»Der General behandelt ihn nicht wie einen Niemand«, stellte Dedrik klar. »Gorm ist der Einzige, der ihm zusetzen kann. Als die Ork-Feste in Flammen stand, hat Gorm den General aufgesucht. Ich habe sie durch die Zeltwand belauscht. Er hat zwar nicht geschrien, aber seine
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