Herrscher
mutwillig auf uns Jagd machen. Dein Plan bedeutet ein zu großes Wagnis, Muth Mauk.«
»Ich gebe zu, dass du bisher klug gehandelt hast«, sagte Muth-yat. »Wären wir zu Hause geblieben, hätte uns alle der Tod ereilt. Aber ich muss Muth-pah recht geben. Vor uns liegen schwere Zeiten. Ohne Königin wären wir zum Untergang verurteilt.«
»Schwester, beuge dich der Weisheit dieser Mütter«, empfahl Nir-yat. »Du hast eine breite Brust, doch Klingen können sie durchbohren. Du darfst uns nicht verloren gehen. «
Girta hörte die Orks reden, ohne ein Wort zu verstehen, doch schon ihr Tonfall machte ihr klar, dass sie gegen Dars Absichten Einwände vorbrachten. »Dar, du hast versprochen, mir zu helfen. Allein kann ich es nicht schaffen.«
Dar fühlte die Bürde der Entscheidung auf sich lasten. Ein falscher Entschluss hat fürchterliche Auswirkungen. Aber was ist der falsche Entschluss? Alles für den Frieden zu wagen? Sich auf einen blutigen Krieg einzulassen?
Sie wusste, dass es galt, nun eine Entscheidung zu treffen, und zwar schnell, aber sie konnte nicht erkennen, welchen Weg sie gehen sollte. »Ich muss darüber nachdenken«, sagte
sie nach einem Weilchen. »Schwester, möchtest du mich auf einen Spaziergang begleiten?«
Nir-yat verneigte sich und folgte Dar ins Gehölz. Wortlos durchpflügten sie den Schnee, bis sie sich weit von den anderen Orks entfernt hatten. Als Nir-yat ihre Schwester anschaute, sah sie Wasser aus ihren Augen rinnen. »Es tut mir leid, dass es mir an Weisheit fehlt«, sagte Dar. Sie wischte über ihre Augen und blickte Nir-yat voller Zuneigung an. »Du bist über die Maßen klug, ich habe mich immer auf deinen Rat verlassen können.«
»Trotzdem kann ich dich eigentlich nicht beraten, weil ich nicht weiß, wie sich die Zukunft entfaltet.«
»Ich weiß es ebenso wenig«, gestand Dar, »also lass uns über die Vergangenheit sprechen. Entsinnst du dich daran, in welchem Zustand ich als Königin zurückgekehrt bin?«
»Wie könnte ich es vergessen? Du warst fast tot.«
»Warst du damals bei mir?«
»Ich war an deiner Seite, aber du konntest mich nicht sehen. «
»Ich konnte sehen, Schwester. Aber ich habe Geister gesehen, keine Gesichter. Diese Gabe verleiht Muth’la sterbenden Königinnen, damit sie klug handeln, wenn sie das Fathma weiterreichen.«
»Du bist doch gar nicht gestorben«, wandte Nir-yat ein.
»Trotzdem, ich lag im Sterben. Bist du die ganze Zeit über an meiner Seite gewesen?«
»Bis Deen-yat dir den Zaubertrank eingeflößt hat. Danach haben Muth-yat und Muthuri mich zu gehen genötigt. «
Zum ersten Mal seit Längerem lächelte Dar. »Schwester, ich erinnere mich an deinen Geist. Als ich noch ausreichend Kraft hatte, um das Fathma zu übertragen, war keine Würdige
anwesend. Deshalb bewahrte Muth’la mein Leben. Zuvor jedoch habe ich meine Nachfolgerin an meiner Seite gespürt. Du warst es.«
»Thwa! Thwa! Du irrst dich!«
»Keineswegs«, widersprach Dar. »Ich habe völlige Gewissheit. Noch heute gehe ich mit Königin Girta fort. Ich werde mein Leben für den Frieden wagen, aber ich setze nicht die Zukunft der Urkzimmuthi aufs Spiel. Das Fathma wird dem Ork-Volk erhalten bleiben, denn die künftige Königin bist du.«
Nir-yat wurde blass. »Königin?! Ich kann unmöglich Königin werden.«
»Genau das habe ich auch gesagt. Und ich wiederhole dir gegenüber die Antwort, die mir die vorherige Große Mutter gegeben hat. Du musst Königin werden. Es ist Muth’las Wille.«
47
»ICH HABE keine Ahnung, was die Zukunft uns beschert«, räumte Dar ein, »deshalb ist mir unklar, welcher Weg am Besten einzuschlagen wäre. Aber durch die Lösung, die ich gerade gefunden habe, stehen uns weiter beide Möglichkeiten offen. Gelingt mein Plan, führt er zum Frieden. Scheitere ich, führst du die Urkzimmuthi in den Krieg. Dann hast du meine Erinnerungen. Sie können dir eine Hilfe sein, wie Sevren und unsere Muthuri.«
»Nur bist du dann so oder so tot«, hielt Nir-yat ihr vor. »Eine Königin, die das Fathma weitergibt, verliert ihre Seele.«
»Mag sein«, antwortete Dar, »aber meinen Körper gibt es noch. Ich bringe Girta zu ihrem Sohn. War nicht auch deine Großmutter noch da, nachdem sie die Krone abgegeben hat?«
»Hai, und ich habe dir erzählt, was aus ihr wurde: Ein Geist.«
»Jetzt verstehe ich meine letzte Vision«, sagte Dar bedrückt. »Lama-tok hat behauptet, es sei nicht immer unklug zu sterben.«
Als Dar in die Senke zurückkehrte, hatte
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