Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
Vom Netzwerk:
ich nehme einen Dolch mit.«
    »Einen tauglichen Dolch hab ich gefunden.« Sevren händigte ihn Dar aus. »Das Schwert ist nur der Äußerlichkeit halber unentbehrlich. Jeder Söldner muss ein Schwert tragen. «
    Dar schnallte sich die Waffe um und machte ein paar Schritte. Sie fühlte sich in der schweren Kluft ziemlich unsicher. Girta schien ähnlich unbeholfen zu sein. »Das kann nicht gelingen, Dar. Wir sehen lächerlich aus.«
    »Denke nicht an einen Rückzieher.« Dar warf ihr einen strengen Blick zu. »Nicht nachdem ich so viel geopfert habe.«
    Ihr Verärgerung schüchterte Girta ein, sodass sie in ihrer zu weiten Kleidung zu schrumpfen schien.
    »Die Wachen halten nach Orks Ausschau, nicht nach
Frauen«, sagte Sevren schnell. »Viele junge Burschen ziehen in der Kriegskluft ihrer Väter ins Feld. Ihr fallt nicht unbedingt auf.«
    »Denk an deinen Sohn«, riet Dar in versöhnlichem Tonfall. »Bald siehst du ihn wieder.«
    »Ja«, sagte Girta. »An ihn muss ich denken.«
    Die beiden Frauen verzehrten eine karge Mahlzeit, dann ritten sie ohne Geleit davon. Dar hatte Girta nicht anvertraut, dass sie ihre Erfolgsaussichten als äußerst gering bewertete und nicht noch mehr Leben in Gefahr bringen wollte. Gelang es ihnen, einen Frieden zu erreichen, konnte Girta Parlamentäre entsenden. Im gegenteiligen Fall verheimlichte ihr Tod den Zufluchtsort der Orks. Doch Girta ahnte, dass Dar wenig Zuversicht hegte; es vertiefte ihre Furcht und bewog sie zum Schweigen.
    Dar schwieg aus einem anderen Grund. Ihr war, als sei in ihrem Innersten ein Teil ihres Ichs abgestorben. Sie fragte sich, wie groß dieser Teil wohl war. Bin ich wenigstens noch Dargu-yat? Bin ich überhaupt noch eine Urkzimmuthi? In Washavoki-Gestank gehüllt sorgte sie sich, sie könne wieder eine Washavoki geworden sein.
    Dann fiel ihr ein, dass ihre Zähne noch schwarz waren. Sie durfte sie auf keinen Fall zeigen. Sie senkte den Blick auf ihre Fingernägel. Sie waren nach wie vor mit Talmauki bemalt. Mit dem Daumennagel kratzte sie es ab. Diese Maßnahme trieb ihr Tränen in die Augen. Je mehr Farbe sie löste, umso erniedrigter fühlte sie sich.
    Dar konnte ihren Gram nur verdrängen, indem sie an das dachte, was vor ihr lag. Sie empfand Furcht, doch sie war auch wütend. Beide Gefühle zog sie der inneren Leere vor. Die Vorstellung, es könne gelingen, Kol zu entlarven, trieb sie voran.

    Auch dachte sie an Twea, Loral und Frey. Ihr Schicksal schrie nach Gerechtigkeit. Und wenn Kol dahin ist, hat Othar keinen Rückhalt mehr. Gegen ein Heer ist Zauberei machtlos. Wenigstens hoffte sie, dass es so war.
     
    Im Morgengrauen erreichten Dar und Girta den Berg, auf dem der einstige Wohnsitz der Yat-Sippe stand. Jetzt krönte eine schwarze Ruine den Berggipfel. Im Vorgebirge lagerten keine feindlichen Einheiten mehr. Dar vermutete, dass das Heer sich ins Tal zurückgezogen hatte. Sie umrundeten die Ostseite und blieben unterwegs im Sichtschutz eines Waldstücks, bis sie den Rauch des Heerlagers erspähten. Dar erklärte, dass sie absitzen und das Lager erkunden mussten, bevor die Dunkelheit anbrach. Davon wollte Girta allerdings nichts wissen.
    »Es ist unbedingt nötig, dass wir das feindliche Heerlager auskundschaften«, sagte Dar, ohne ihren Überdruss zu verheimlichen. »Wie, in Karms Namen, willst du sonst im Dunkeln unter Tausenden von Soldaten deinen Sohn finden? «
    Girta gab nach und schlich mit Dar durch den Wald, bis sie an den Rand des Lagers gelangten. Zelte füllten das ganze Tal entlang des Berghangs aus. Sie waren weit ordentlicher aufgereiht, als Dar erwartet hatte.
    Kol muss wahrlich auf Zucht und Ordnung versessen sein, dachte sie. Ihr fiel Dedriks Bemerkung ein, der General wäre »streng«.
    Ein abgetrenntes Gelände für den König und sein Gefolge gab es nicht, doch sah Dar zwischen der großen Menge schlichter Unterkünfte eine Ansammlung blauroter Zelte.
    »Dort dürfte der König zu finden sein«, sagte sie zu Girta. Sie hielt nach den schwarz gekleideten ehemaligen Männern
der Königin Ausschau. Zu sehen war niemand, der sie trug, dennoch vermutete Dar, dass diese Männer hier waren und nur die Kluft gewöhnlicher Söldner angelegt hatten.
    Als die beiden Frauen in den Wald zurückwichen, erklang in der Ferne ein dumpfes Grollen. Dar blickte hinüber zum südlichen Gebirgskamm, den man über den Hügeln des Vorgebirges gerade noch erkennen konnte. Die sinkende Sonne beleuchtete eine in Ausbreitung begriffene Staubwolke und verlieh

Weitere Kostenlose Bücher