Herrscher
den Händen Blut vom Fußboden aufzusammeln und in den Kessel zu schütten. Dieser Bestandteil des Suds war Othar neu und bewog ihn zu einer Frage. »Wozu ist das gut?«
»Pssst!«
»Verbiete mir gefälligst nicht den Mund! Seit wann beherrschst du die Zauberei?«
»Lange bevor deine Mutter dich geworfen hat.«
»Wozu dient diese Brühe?«
»Zur Sicherheit.«
»Wogegen?«
»Sei still! Ich muss lauschen.« Gorm hielt den Kopf geneigt, als müsse er sich anstrengen, um ein Gespräch in einem Nebenraum zu verstehen. »Kol ist gescheitert«, sagte er nach angespanntem Schweigen. Er wartete verkrampft, als ducke er sich vor einem absehbaren Hieb. Nach einer ganzen Weile beruhigte er sich jedoch. Er wirkte allerdings wie jemand, der gerade eine Rüge hatte einstecken müssen.
Othar maß Gorm mit einem ratlosen Blick. »Woher weißt du das?«
»Es wurde mir gerade mitgeteilt.«
»Und nun?«
»Es ging um alles oder nichts. Jetzt haben wir nichts.« Gorm rührte weiter im Kessel. Als ein lautes Dröhnen durch die Ruine hallte, konnte man ihm keine Überraschung anmerken.
»Was war das?«, fragte Othar.
»Kol hat eben den Tod gefunden.«
»Und Dar lebt noch?«
»O ja.«
»Dann greife sie dir! Sie muss auch sterben.«
»Ich diene meinem Herrn«, antwortete Gorm.
»Dann tu’s! Ich will sie in meiner Gewalt haben.«
»Du warst nie mein Herr. Ich hab’s dir gesagt. Du warst nur sein Gefäß.«
»Aber dein Herr und ich sind unzertrennlich.«
Gorm langte unter seine Kutte und holte einen schwarzen Sack hervor, auf dessen Stoff Zaubersprüche gestickt waren.
»Du bist als untauglich bewertet worden. Mein Herr muss ein neues Zuhause finden.« Gorm ging zur Sänfte und hob Othar herunter. Der Zauberer sträubte sich dagegen, doch infolge seiner verstümmelten Gliedmaßen blieb sein Widerstand schwach.
»Ein neues Zuhause?«, wiederholte Othar mit wachsendem Entsetzen. »Was soll das heißen?«
»Er braucht wieder Knochen.«
»Ausgeschlossen, Dar hat sie doch vernichtet.«
»Ja gewiss«, stimmte Gorm zu. »Aber du hast welche.« Und er schleuderte den Zauberer in den Kessel.
Othars Todesschrei gellte durch die zur Ruine gewordene Feste. Obwohl er grässlich klang, schöpfte Dar Mut aus ihm. Sie strebte in die Richtung, aus der erklungen war, ohne eine Ahnung zu haben, was sie dort vorfand, und doch fühlte sie sich sicher, dass sie die gröbste Gefahr ausgestanden hatte. Trotzdem lugte sie erst einmal vorsichtig um den Türrahmen des Kücheneingangs.
Sie sah den Mann in der schwarzen Kutte noch immer im Kessel rühren. Er hatte blutige Hände. Vor ihren Augen nahm er den eisernen Rührlöffel, um etwas aus dem Kessel zu fischen. Othars Gewand. Er warf das triefnasse Kleidungsstück auf den Küchenboden, klopfte die dampfenden Falten ab und barg daraus einen Knochen, den er flugs, bevor er sich die Finger verbrannte, wieder in den Kessel warf.
Dar betrat die Küche. Der mit Blutlachen bedeckte Boden fühlte sich unter ihren Füßen unnatürlich warm an.
»Wer bist du?«, fragte sie und hielt den Dolch stoßbereit, den Kol als letzte Waffe gegen sie benutzt hatte.
Der Mann heftete einen gleichmütigen Blick auf sie. »Ein Diener. Mein Name ist Gorm.«
Dar fasste den Dolch an der Klingenspitze, um ihn werfen zu können. »Othars Diener?«
»Ich war nie Othars Diener.«
»Wessen Diener bist du dann?«
»Er hat keinen Namen. Noch für lange Zeitalter wird er keinen Namen haben.«
»Aber er ist ein Satan, ich weiß es.«
»Satan?«, wiederholte Gorm. »Da bin ich mir weniger sicher. Ist Göttlichkeit zwangsläufig ein Quell für Wohltaten? « Er rührte weiter. »Du spielst mit dem Gedanken, mich zu töten, nicht wahr?« Er schmunzelte. »Kannst du töten, was in diesem Kessel ist?«
»Was ist denn darin?«
»Es sind Knochen.«
»Dann sind sie mein Widersacher«, sagte Dar. »Ich bin vor ihnen gewarnt worden.«
»Sie waren dein Widersacher, aber du hast sie entmachtet. «
»Indem ich Kol erledigt habe?«
»Indem du den Krieg beendet hast. Mein Herr nährt sich nur an Gemetzeln.«
»Ich weiß. Er hat mir nachgestellt.«
»Das war Othar«, entgegnete Gorm. »Rachdurst war stets sein verlässlichster Leitstern. Vielleicht hätte dein Tod sein Los zum Besseren gewendet, vielleicht nicht. Jetzt ist es zu spät, um es zu erfahren.«
»Also müssen nur noch die Knochen vernichtet werden.«
»Ihre Macht kann nie ganz vernichtet werden. Du weißt es selbst. Gib dich damit zufrieden, sie für einige
Weitere Kostenlose Bücher