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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Fleisch, aber er legt keinen Wert auf Äußerlichkeiten. «
    Dar schlich von einem ausgebrannten Raum in den nächsten, achtete sorgsam darauf, leise zu sein. Sie versuchte, keine Spuren zu hinterlassen, aber das blieb äußerst schwierig. Weil die Zimmer und Flure jetzt unter freiem Himmel lagen, herrschte darin helles Tageslicht. Oft machten Ruß und Schnee ihre Fußabdrücke sichtbar. Die Kälte betäubte ihre Füße und verringerte ihre Beweglichkeit.
    Dar dachte daran, dass in der Küche sämtliche Waffen der toten Söldner lagen. Aber dort sitzt auch Othar, und er ist nicht allein. Sie überlegte, ob es Kols Absicht sein könnte, sie dem Zauberer in die Arme zu treiben. Ihre Gedanken befassten sich mit dem Zweck des brodelnden Eisenkessels. Vielleicht
ist er für mich bestimmt. Die Vorstellung, lebend gekocht zu werden, trieb sie an, die Richtung zurück zur Küche zu meiden.
    Dar war ein schlaues Wild, aber Kol ein erfahrener Jäger. Immer wieder wich sie ihm aus, aber nie verlor er ihre Fährte lang. Sie huschten durch die verwüstete Feste, waren manchmal weit auseinander, kamen sich dann wieder näher. Aufgrund der geistigen Anspannung kam Dar das Zeitgefühl abhanden. Jede Bewegung hatte entscheidende Bedeutung, denn jeder ungünstige Schritt hinterließ eine Spur. Irgendwann bluteten ihre eiskalten Füße und machten ihre Fährte umso augenfälliger. Sie ahnte, dass ihre Zeit ablief.
    Dar durchquerte einen Torbogen und sah überrascht, dass Muth’las Kuppel noch stand. In meiner Vision war sie eingestürzt. Diese Abweichung gab ihr Rätsel auf. Sie vermutete, dass der Unterschied wichtig sein konnte. Als frei stehender Bau hatte die Kuppel rundum einen gewissen Abstand vom übrigen Komplex, und obwohl ein benachbartes Gemäuer zusammengebrochen war, wirkte sie bemerkenswert unbeschädigt. Nicht mal die Holztür war angesengt. In der Erwartung, die Kuppel könnte ihr Zuflucht bieten, eilte Dar zur Tür und öffnete sie. Sie hatte gehofft, sie von innen absperren zu können, aber es gab nur einen Außenriegel.
    Dar wandte sich zum Gehen und sah ihre Fußspuren zum Kuppeleingang führen. Der Brand hatte den vorher bepflanzten Innenhof in ein mit einer dünnen Schneedecke überzogenes Aschebett verwandelt. Ihre Schritte hatten eine auffällige dunkle Fährte zur Tür zurückgelassen. Dar schwang die sich nach außen öffnende Tür ganz auf, damit der Riegel nicht sichtbar war. Sie betrat die Kuppel, beendete
ihren Weg jedoch auf halber Höhe der abwärtigen Treppe. Danach ging sie rückwärts, setzte die Füße sorgfältig in die sichtbaren Fußabdrücke.
    Wegen der nötigen Genauigkeit ging sie langsam, und sie wusste, dass Kol jeden Augenblick aufkreuzen konnte. Falls er sie jetzt einholte, drohte ihr ein qualvoller Tod. Ich darf nicht daran denken. Die Fußabdrücke müssen glaubhaft aussehen. Bei jedem einzelnen Schritt sorgte Dar dafür, dass es keine Unregelmäßigkeit gab. Sobald sie den Torbogen erreichte, brachte sie dort ein paar zusätzliche, besonders gut sichtbare Spuren an. Anschließend suchte sie sich mit äußerster Umsicht einen Weg zu dem eingestürzten Gemäuer und trat nur auf herabgefallene Steine, um keine neuen Abdrücke zu hinterlassen. Jeder Schritt war eine arge Qual, doch davon ließ sie sich nicht beeindrucken. Sie versteckte sich in den Trümmern, nahm den Umhang von den Schultern und wickelte ihn um ihre eisigen, blutigen Füße. Dann wartete sie. Etwas anderes konnte sie jetzt nicht mehr tun.
     
    Inzwischen verkniff Kol es sich, höhnische Bemerkungen zu rufen. Lieber richtete er alle Konzentration auf die Jagd. Leicht fiel es ihm nicht, denn der Zorn beeinträchtigte seine Aufmerksamkeit.
    So hoch war er aufgestiegen – fast bis zur Regentschaft –, doch Dar hatte ihm alles entrissen. Er schäumte so vor Wut, dass er mit dem Gedanken spielte, sie selbst zu töten. Scheiß auf Othar! Doch so stark er diesen Wunsch auch verspürte, er wusste, dass er es nicht tun durfte. Überall umgaben ihn Feinde. Othar war ein gefährlicher Verbündeter, aber sein einziger Bundesgenosse. Ich überreiche ihm Dar als Geschenk.
    Dennoch malte Kol sich immer wieder aus, Dars Gesicht
mit dem Dolch zu entstellen. Und andere Teile ihres Körpers. Die Bilder, die ihm seine Vorstellungskraft eingab, bedeuteten für ihn eine derartige Verlockung, dass er bisweilen Dars Fährte verlor und umkehren musste. Doch während die Zeit verstrich, wurde die Pirsch zusehends leichter. Dar zeigte Anzeichen der

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