Herrscher
Träume übertraf – die Aussicht, weit über seine Klasse hinaus aufzusteigen.
Als Hauptmurdant war er immer unmittelbar dem Vertreter der Königin unterstellt gewesen, und die Befehle General Tarkums hatten ihn gelegentlich an den Hof geführt. Dort war er seitens der Höflinge kaum besser als ein Laufbursche behandelt worden. Doch obwohl es seinen Stolz
kränkte, hatte er den Mund gehalten, denn ein beleidigter Adeliger hätte ihn zugrunde richten können.
Aber mit genügend Geld und bei entsprechender Förderung war seine niedrige Herkunft kein Hemmnis mehr. Othar war zu beidem imstande. Wahrhaftig, dank solcher Vorteile konnten »ehrgeizige Männer weit aufsteigen«.
Während Kol über die ihm gestellte Aufgabe nachdachte, gab er sich keineswegs dem Wahn hin, ihre Erfüllung könnte leichtfallen. Aber es war auch nicht leicht gewesen, rief er sich in Erinnerung, Hauptmurdant des Heeres zu werden. Inzwischen wusste er, dass die raubeinige Führung, die er im Regiment ausgeübt hatte, bei Hofe nichts fruchten würde. Heuchelei und Tücke mussten dort nützlicher sein. In der Schänke seines Vaters hatte er gelernt, Menschen zu durchschauen.
Schließlich ist ein Königshof nichts anderes als eine über die Maßen prunkvolle Schankstube. Ich finde dort schon meinen Weg , dachte er .
Es stimmte Kol zuversichtlich, dass er es mit einer Monarchin zu tun bekommen würde. Mit Frauen glaubte er gut zurechtzukommen. Nur eine hatte sich ihm nicht gebeugt: Dar.
Der Gedanke an seine Widersacherin veranlasste Kol, über den ironischen Umschwung der Ereignisse nachzusinnen. Ihr Feind war er geworden, weil sie sich gegen seine Befehlsgewalt aufgelehnt hatte. Nachdem die Ork-Regimenter mittlerweile aufgelöst waren, konnte er nun sein Streben nach Vergeltung mit den Mitteln verbinden, neue Macht zu erringen und zu noch weit höheren Kreisen Zutritt zu finden.
Weil Dar nun Königin war, musste ein Krieg her, um sie zu stürzen. Othar hatte ihm versprochen, ihm beim Anzetteln
der dazu erforderlichen Intrigen Beistand zu leisten. Falls alles nach Plan lief, müsste Kol in Kürze General sein.
Bei der Aussicht, ein Heer gegen die Pissaugen ins Feld zu führen, lächelte Kol. Eine solche Heeresmacht zu befehligen, sollte ihn viel herrlicher beglücken als nur simple Rache an Dar zunehmen. Soll sich Othar mit ihr befassen. Kol bedauerte es beinahe, wenn er sich ausmalte, was der Zauberer vielleicht mit ihr anstellte. Verglichen mit der Vergeltung, die jemand wie dieser üben konnte, musste ein Tod durch Auspeitschen geradezu barmherzig sein.
13
MUTH-PAH ERWACHTE mit einem Ruck. Es geschah mitten in der Nacht, das Feuer im Herd war zu glühender Asche heruntergebrannt. Um den Schnee fernzuhalten, war der Rauchfang teilweise abgedeckt worden, deshalb herrschte fast schwarze Finsternis im Hanmuthi. Nur ein paar Schneeflocken wehten von der Deckenöffnung herunter. Vollkommene Stille herrschte in der Räumlichkeit.
Trotz der Dunkelheit erspähte die Matriarchin unverzüglich jemanden, der auf ihrem Lehnstuhl saß. Es musste ein Fremder sein, zumal er eine absonderliche Gestalt hatte. Muth-pahs kalte Gelenke schmerzten von der Anstrengung, als sie aufstand, um den Eindringling zur Rede zu stellen.
Ehe Muth-pah ihn ansprechen konnte, begrüßte er sie.
»Tava, Muth-pah. Ma nav Velasa-pah.« Sei gegrüßt, Muth-pah. Ich bin Velasa-pah. Als die Matriarchin mit Dargu ins Dunkel eingetreten war, hatte sie schon dort eine Begegnung mit dem Geist des Zauberers gehabt. Damals hatte er sich als junger Mann gezeigt, die Tätowierung der Pah-Sippe
war an seinem glatten Kinn deutlich erkennbar gewesen. Das Kinn der Gestalt, die sie jetzt erblickte, war von einem Gewucher langer weißer Haare bedeckt, das Muth-pah in dieser Art überhaupt nicht kannte. Auch seine Kleidung wirkte fremd, aber dank des höheren Einsichtsvermögens, das Visionen bisweilen begleitete, wusste sie, dass sie auch jetzt vor dem sagenumwobenen Zauberer stand.
Sie verneigte sich und wartete. Velasa-pah sprach weiter Orkisch. »Auf dem Thron sitzt eine neue Königin«, sagte er. »Eine Königin aus dem Westen.«
»So bald?«
»Hai. Sie schwebt in Gefahr. Du musst zu ihr gehen.«
»Auf den Landstraßen liegt Schnee«, gab Muth-pah zu bedenken. »Ich bin alt. Im Winter tun mir die Glieder weh.«
Es hatte den Anschein, als hätte Velasa-pah sie nicht gehört. »Brich in aller Morgenfrühe auf. Nimm einen Sohn mit, der Mintari der neuen Königin werden soll.« Der
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