Herrscher
in die Berge reichten. Da fiel ihr Blick plötzlich auf etwas Befremdliches: Es hatte Ähnlichkeit mit einem Fleck, der sich ausbreitete, oder mit einer wachsenden schwärzlichen Wolke. Die Königin, von der diese Erinnerung stammte, hatte noch nicht begriffen, was sie dort sah. Aber Dar wusste Bescheid. Washavoki-Eindringlinge. Sie sah Sonnenschein auf blanken Klingen schimmern.
Bei diesem Anblick kehrte sie schlagartig in die Gegenwart zurück.
Dar äugte umher. Die Kammer, in der sie sich aufhielt, wirkte düster und eng. Betroffen starrte Yev-yat sie an. Dars Gesicht war feucht, und sie erkannte, dass sie geweint hatte.
14
MURDANT KOL fühlte sich noch schwach, als Gorm beschloss, ihn nach Taiben zu bringen.
Gorm traf alle Vorbereitungen. Er erwarb für die Reise Verpflegung, Heilkräuter und Verbandszeug und beglich den vom Herbergswirt geforderten, viel zu hohen Preis für Donners Unterbringung. Sobald alles erledigt war, verließen die beiden Männer die Herberge, und die Heilerin, die zu Fuß gehen musste, begleitete sie. Der Aufbruch erfolgte am Spätnachmittag, einem nach Kols Auffassung ungewöhnlichen Zeitpunkt, und sie ritten so langsam, dass die Frau mit ihnen Schritt halten konnte.
Kol erwartete, dass die Heilerin mit ihnen in die Hauptstadt reiste, doch gegen Abend, als die Dämmerung kam, trat sie an den Straßenrand und verbeugte sich vor Gorm.
»Herr, du warst sehr großzügig, und ich danke dir für das Geleit. Beachtet meine Weisungen, und die Wunde dürfte tadellos heilen.« Sie verbeugte sich ein zweites Mal, dann entfernte sie sich auf einem Trampelpfad, der in einen Wald führte.
Kol schaute ihr nach. »Sie weiß, dass Othar lebt«, sagte er mit gedämpfter Stimme zu Gorm.
Gorm grinste. »Damit habe ich gerechnet.« Er wartete, bis die Frau außer Sicht war, dann schwang er sich vom Pferd. »Sie lebt nur mit ihrer Tochter zusammen«, erklärte er, ehe er den Trampelpfad betrat. »Ich werde nicht lange brauchen.«
Kol wartete. Jetzt wurde ihm klar: Der späte Aufbruch hatte wohl gewährleisten sollen, dass die Tochter der Heilerin daheim war. Nach einem Weilchen stieg aus dem Wald eine Rauchsäule empor. Rasch wurde sie dicker, und die Erfahrung sagte dem Murdanten, dass dort eine Hütte in Flammen stand.
Kurz darauf kehrte Gorm aus dem Wald zurück. »Nun schweigen alle lästigen Zungen«, sagte er.
Die beiden Männer ritten, bis es zu dunkel war, um die Reise fortzusetzen, dann lagerten sie an einer geschützten Stelle.
Gorm zündete ein großes Lagerfeuer an und erneuerte Kols Verband. Anschließend verzehrten sie Brot und Käse und tranken Wein.
»Ich gehe davon aus, du bist solche Umstände eher gewohnt«, meinte Gorm, »als die vornehmen, feinen Verhältnisse bei Hofe.«
»Sind wir dahin unterwegs? Zum Hof?«
»Noch nicht. Eine Zeit lang bleibst du in Othars Unterkunft. Er wohnt im Haus des Kaufmanns Balten.«
»Weshalb hat er sich bei einem Krämer eingenistet?«
»Balten hat gewisse Vorzüge, und ein Unverdächtiger bewegt sich frei. Wenn du Othar begegnest, wirst du sehen, dass er sich stark verändert hat.«
»Wieso ?«
»Entfesselte magische Gewalt hat ihn erfasst. Er ist verstümmelt und entstellt, aber seine Kräfte sind auf vielfältige Weise gewachsen. Er kann sich jetzt Seelen untertan machen. «
»Ist er noch ein Mensch?«, fragte Kol.
»Er ist mehr als das geworden.«
»Warum braucht jemand wie er dann Söldner?«
»Gemetzel nähren seine Macht. Er dürstet nach so viel Blut, wie es nur im Krieg vergossen wird.«
»Ursprünglich hast du behauptet, er lechzt nach Rache. Jetzt klingen deine Worte, als wolle er etwas anderes. Kann ihn ein Sieg befriedigen?«
»Wenn er durch Ausrottung gekrönt wird.« Als Soldat hielt Kol das Töten für ein Mittel zum Zweck, keinesfalls für einen Selbstzweck. Seines Erachtens zehrte übertriebene Grausamkeit an den eigenen Kräften und war ein Zeichen schlechter Führung.
Gorm musterte Kol scharf, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Ich kenne deinen Ruf als Peitschenschwinger. Einmal sollst du eine Frau einen halben Tag lang ausgepeitscht haben. War das keine Übertreibung?«
»Abschreckung sorgt für Zucht und Ordnung.«
»Dann war diese Auspeitschung also nicht übertrieben. Ebenso wenig kann in Bezug auf Othars Ziele von Übertreibung die Rede sein. Es steht dir nicht zu, seine Absichten infrage zu stellen, du hast nichts anderes zu tun, als sie zu fördern.«
»Ich habe sie mit keinem Wort infrage
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