Herrscher
Auch Menschen sind gefährlich. Und sie sind, wie du selbst sagst, verräterischer als Orks.«
»Wachsamkeit ist gänzlich angebracht«, sagte Kol. »Darf ich zu hoffen wagen, dass der Prinz sich zu verteidigen versteht? «
»Er hat einen Fechtmeister.«
»Aber könnte er sich gegen den Dolch eines feigen Halsabschneiders wehren? Meuchelmörder geben nichts um Fechtregeln.«
»Er ist erst acht.«
»Umso mehr ein Grund, ein paar Kniffe zu kennen.«
»Kannst du ihm solche Kniffe beibringen?«, fragte Girta.
»Mehr als einmal bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen. Ich will dem Prinzen gern zeigen, was ich weiß.«
»Ich wünsche, dass er sich auf mehr als Krieg versteht, wenn er König wird.«
»Es ist klug, den Krieg zu verabscheuen. Ich habe zu viel Krieg erlebt, als dass ich darin etwas Ruhmreiches oder Edles sehen könnte. Der Prinz sollte nur kämpfen müssen, um sein Leben oder das Königreich zu schützen.«
»Dann sind wir in dieser Frage einer Meinung«, sagte
Girta. »Es würde mich freuen, wenn du auch künftig mit dem Prinzen zusammen bist.«
»Es wäre mir eine Ehre, ihn zu unterweisen.«
Nachdem Tolum Kol fort war, rief Königin Girta Lokung zu sich und befahl ihm, einen Gardisten zu ihr zu bringen, der am vergangenen Sommerfeldzug teilgenommen hatte.
Der Haushofmeister ging und kehrte mit einem Mann namens Wulfar zurück. Girta schickte Lokung hinaus, ehe sie mit dem Gardisten sprach.
»Mir ist mitgeteilt worden, dass du im Sommer für meinen Gemahl im Felde gefochten hast.«
»Jawohl, Majestät.«
»Ich möchte Näheres über eine Frau erfahren, die während des Feldzugs in einem Ork-Regiment gedient hat. Sie soll berüchtigt und als Ork-Metze bekannt gewesen sein.«
»Hat Sevren sich beschwert, Majestät?«
»Wieso diese Frage?«
»Ich habe erfahren, dass Ihr ihm Gehör schenkt.«
»Na und?«
»Er hatte ein Auge auf sie geworfen. Ich glaube, daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Wenn er mich also verleumdet hat …«
»Er hat nichts dergleichen getan. Mich interessiert nur die Ork-Metze.«
»Sie hat mit einem Ork gebockt. Ich weiß es. Und der Ork hat für sie jemanden getötet.«
»Aha«, äußerte Girta. »Und was ist aus ihr geworden?«
»Sie muss mit dem Ork ausgerissen sein. Jedenfalls war sie fort, als der Sommerfeldzug endete. Ich hielt sie für tot, bis sie plötzlich in Taiben aufkreuzte.«
»Kannst du mir mehr über sie erzählen?«
»Eigentlich nicht, Majestät. Aber die übrigen Gardisten werden meine Angaben im Wesentlichen bestätigen.«
»Du darfst gehen. Schicke den Haushofmeister wieder herein.«
Wie sehr es ihr auch widerstrebte, es zuzugeben, die Königin hatte den Eindruck gewonnen, dass Lokung mit seiner nachteiligen Beurteilung Sevrens nicht ganz Unrecht hatte. Selbst wenn Sevren kein Verräter ist, bleibt er doch Diener zweier Herrinnen. Girta wusste keinen Anlass, warum Wulfar sie belogen haben sollte, und seine Aussage erklärte, wieso Sevren Dar beigestanden war.
Als Lokung eintrat, gab Girta ihm den Befehl, Sevren von künftigen Audienzen auszuschließen. Der Haushofmeister verbeugte sich und entfernte sich mit ausdrucksloser Miene.
Sobald die Königin allein war, durchdachte sie die Lage. Sie hatte vieles gehört, dass ihre geheimen Sorgen nährte. Möglicherweise hatte Tolum Kol recht, und die Orks flößten ihr nicht ohne Grund Unbehagen ein. Girta zog den Rückschluss, dass nur ihr Glaube an Dars Aufrichtigkeit sie bewogen hatte, einen Vertrag mit den Orks zu schließen und ihren Schutz zu suchen. Wenn sie mich aber nun hintergangen hat? Und schon stellten sich weitere Fragen. Ist Dar noch am Leben? Wenn ja, welche Absichten verfolgt sie?
Obwohl Girta nicht alle Behauptungen Kols nachprüfen konnte, hatte das Gespräch mit dem Gardisten eine der schwerwiegendsten Aussagen bestätigt. Offenbar hatte Dar tatsächlich einen Ork zum Liebhaber genommen. Eine Frau, die so etwas tat, war zu allem fähig.
Trotz aller unerfreulichen Einsichten ermutigte es Königin Girta, dass Kols Darstellungen sich augenscheinlich mit der Wahrheit deckten; das bewies seine Zuverlässigkeit. Und ich brauche dringend jemanden, dem ich vertrauen kann.
20
AN DEN ZWEI TAGEN nach Kovok-mahs Eintreffen empfing Dar in der Großen
Kammer sieben weitere Mintari-Anwärter.
Die Söhne der Hak- und der Jan-Sippe waren von den Sippen-Matriarchinnen ausgesucht worden. Dar kannte ihre Namen, doch mehr nicht. Nagtha-yat, den sie kannte und angefordert
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