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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Wasserbecken gesessen war, als Dar ihn zum ersten Mal berührt hatte. Fast konnte er die Wärme ihrer Hände wieder spüren. Wenn sie mich noch einmal anfasst, werde ich ihr widerstehen können? Er fühlte sich schwach und bezweifelte es.
     
    Eine Hand fasste an Muth-goths Schulter und rüttelte sie wach. Sie öffnete die Lider. Eine Mutter verneigte sich. »Matriarchin, Reisende sind eingetroffen.«
    Muth-goth blinzelte und entwand sich der Welt der Träume. Wenige reisten im Winter, und noch weniger in klirrend kalter Nacht. Muth-goth konnte sich keine Reisenden
vorstellen, die so wichtig waren, dass man sie hatte wecken müssen. »Entfache ein Herdfeuer. Dann hilf mir auf meinen Hocker.« Sie überlegte, ob sie die Reisenden in der Schlummerdecke empfangen sollte, entschied sich aber anders. Als die Mutter vom Anfachen des Herdfeuers wiederkehrte, bat Muth-goth sie, die Kefe und den Tagesumhang zu holen. Das Greisentum machte das Umkleiden zur Qual, deshalb bedurfte die alte Matriarchin des Beistandes, wenn sie würdig gekleidet auf ihrem Hocker Platz nehmen wollte.
    Als die Reisenden hereingeführt wurden, gewahrte Muth-goth sie lediglich als frostkalte Dunstwolken. Mühselig stand sie auf, um sie zu begrüßen. »Ich bin Muth-goth.«
    Die vordere eisige Dunstwolke machte eine Verbeugung. »Ich bin Muth-pah.«
    »Muth-pah! Dich hab ich seit einem Dutzend Winter nicht gesehen.« Muth-goth schmunzelte. »Und auch jetzt sehe ich dich nur schlecht. Tritt näher.«
    Muth-pah kam zu ihr. Muth-goth zwinkerte ihr ins Gesicht. »Auch du bist alt geworden. Wozu gehst du mitten im Winter auf Reisen?«
    »Die Königin aus dem Westen sitzt auf dem Thron.«
    Entgeistert starrte Muth-goth die Besucherin an. Als sie wieder Worte fand, bezeugte ihre Stimme Ehrfurcht. »Bist du sicher? Bei uns sind keine Boten angelangt. Woher hast du diese Neuigkeit?«
    »Velasa-pah selbst war der Überbringer.«
    »Du hattest eine Vision?«
    »Hai, und seitdem bin ich unterwegs. Wir leben in einer stürmischen Zeit, in der Hoffnung und Furcht aufeinanderprallen. Am Morgen müssen wir zum Familiensitz der Königin aufbrechen.«
    Langsam ließ sich Muth-goth auf dem Hocker nieder.
»Mein Körper will nicht mehr. Ich habe kaum noch genug Kraft, um mich durchs Hanmuthi zu schleppen.«
    »Dann müssen Söhne dich tragen. Die Königin schwebt in großer Gefahr. Ich weiß es aus meiner Vision.«
    »Was können wir dagegen tun?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Muth-pah. »Doch wir müssen irgendetwas versuchen.«
    Muth-goth stöhnte, als wäre sie schon erschöpft bis auf die Knochen. »Ich glaube, ich werde nur noch in eine Richtung reisen, nach Osten, und diesen Familiensitz nie wiedersehen. «
    »Wahrscheinlich wird es für uns beide so kommen, alte Freundin. Ich habe unsere Reise vorhergesehen. Wir werden den Familiensitz der Königin erreichen. Dahinter liegt nichts als Finsternis.«
     
    Dar lag auf ihrer Matte und hatte den Kopf voll wirrer Gedanken.
    Immer wieder fiel ihr Kovok-mahs Geschichte über die Mutter ein, die thwada geworden war. Sie versuchte, sich die Einsamkeit dieser Mutter auszumalen. Gleichzeitig überlegte sie, welcher Art ihre Übertretung wohl gewesen sein könnte. Sie wusste, dass nur gesegnete Paare Geschlechtsverkehr ausüben durften, aber es stand ungesegneten Söhnen und Müttern frei, sich gegenseitig »Liebe zu schenken«. Die Zärtlichkeiten, die sie mit Kovok-mah ausgetauscht hatte, galten als üblicher Ausdruck des Liebeswerbens. Mütter sprachen freimütig darüber. Nir und Thir wurde beiden Liebe geschenkt. Und doch deuteten Kovok-mahs Aussagen an, dass auch solche Handlungen verboten sein konnten. Wo sind die Grenzen? Wer legt sie fest?
    Reif bedeckte die Fensterscheiben, sodass der Mondschein
weich und trübe wirkte. Dar konnte Kovok-mah, der in seiner Schlafkammer saß, kaum erkennen und nicht unterscheiden, ob er wach war oder schlief. Neben ihr schlummerte Nir-yat, wie Kovok-mah im Schneidersitz. Dar war froh über ihre Anwesenheit. Sie konnte sich gut vorstellen, dass sie andernfalls schon durch die Räumlichkeit gehuscht wäre. Er ist so nah. Ich bräuchte nur einen Augenblick.
    Dar erinnerte sich an Meera-yats Rat, ihre Mintari mit größter Sorgfalt auszuwählen, und an den Hinweis, dass eine solche Wahl sich nicht widerrufen ließ.
    Künftig wird Kovok-mah jede Nacht hier sein. Sie überlegte, ob es ihr mit der Zeit leichter fallen würde, auf der eigenen Schlafmatte zu bleiben, oder

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