Herz an Herz mit dem Boss?
in der Küche zu reden hatte sie völlig entkräftet, und sie wusste auch, warum.
Zum ersten Mal im Leben war sie aus sich herausgegangen. Das Resultat war erschreckend, und wenn sie all das hätte rückgängig machen können, so hätte sie es getan.
Verstohlen sah sie zu ihm hinüber. Pflichtbewusst hatte er ihr beim Abräumen geholfen, und jetzt alberte er mit den Jungs aus der Firma herum. Zweifelsohne dachte er nicht mehr an ihre Unterhaltung, während sie …
Sie sah zu, wie Jessica, die sich unter dem Mistelzweig positioniert hatte und sich im Takt der Musik wiegte, kichernd Ryan herbeiwinkte.
Ryan sah nicht besonders begeistert aus, und dieses eine Mal schritt Jamie nicht ein, um ihre Schwester vor sich selbst zu retten. Sie hatte schon genug Zeit damit verbracht, Jessica vor ihrem Eigensinn zu beschützen.
Und dabei hatte sie ganz vergessen, sich um ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse zu kümmern. Sie hatte alles unter Verschluss gehalten; wie erbärmlich, dass sie nun ausgerechnet in Gegenwart ihres Chefs – der unpassendsten Person überhaupt, wenn es darum ging, sich auszuheulen – angefangen hatte, etwas davon herauszulassen. Sein Frauenverschleiß war immens, und wahrscheinlich hatte er noch nie eine vernünftige Diskussion mit einer seiner Tussis geführt, die an ihm hingen wie Kletten. Und doch hatte sie ihm alles Mögliche anvertraut, und sie wusste, dass sie das ewig bereuen würde.
Als sie sich umdrehte, um sich in den sicheren Hafen der Küche zurückzuziehen, streifte ihr Blick das Fenster. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, und draußen sah sie jemanden aus dem Auto steigen. Aus dem alten, zerbeulten Land Rover, den er schon gehabt hatte, als sie bei ihm zu arbeiten angefangen hatte, stieg ihr Schwager.
Zunächst traute Jamie ihren Augen nicht. Sie hatte Greg seit Ewigkeiten nicht gesehen. Als er sich damals in Jessica verliebt hatte, wollte sie sich unter keinen Umständen ihre Gefühle anmerken lassen und war nach London geflüchtet. Seitdem hatte sie sich nicht mehr in seine Nähe getraut, weil sie lieber sterben wollte, als versehentlich ihr Geheimnis zu verraten.
Er hatte sich im Laufe der Jahre nicht verändert. Gerade war er dabei, den Wagen abzuschließen; alles an ihm sah überraschenderweise genauso aus wie früher. Das Haar hing ihm noch immer in die Augen, und er war noch immer schlaksig und bewegte sich ein wenig unbeholfen, was Jamie damals so unglaublich liebenswert gefunden hatte. Als sie ihren Blick einen Moment lang von ihm löste, sah sie, wie Jessica ihre Hände auf Ryans Schultern legte. Es schoss Jamie durch den Kopf, dass Greg sich in dem Moment umdrehen und durchs Fenster hineinsehen könnte, wenn Jessica ihre Augen schließen und einen deutlich sichtbaren Kuss auf Ryans Mund platzieren würde. Wie elektrisiert lief sie in die Mitte des Zimmers. Sie wusste nicht, ob sie es auch dann getan hätte, wenn sie Zeit zum Nachdenken gehabt hätte, doch nun handelte sie rein instinktiv, angetrieben von dem Bedürfnis, ihre Schwester davor zu bewahren, dass sie die einzige Chance, ein glückliches Leben zu führen, zunichtemachte. Denn einen Besseren als Greg würde es für Jessica nie geben.
Sie drehte Ryan zu sich herum, der sie überrascht ansah. Obwohl sie für ihre Verhältnisse äußerst stürmisch vorging, zog sich in Anbetracht seines muskulösen Körpers ihr Magen zusammen, als sie ihre Hand in seinen Nacken legte.
„Was …?“
„Der Mistelzweig!“, sagte Jamie. „Wir stehen darunter. Also müssen wir tun, was der alte Brauch von uns verlangt.“
Ryan lachte leise und schlang seinen Arm um sie. Dieser Tag war voller Überraschungen; er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zum letzten Mal so gut amüsiert hatte.
Zwar wusste er nicht, warum Jamie sich auf einmal so ungewohnt verhielt, aber es gefiel ihm. Besonders gut gefiel ihm, wie ihr Körper sich an seinen schmiegte. Er fühlte ihre Brüste auf seinem Oberkörper. Sie roch sauber und ein wenig blumig. Ihr Mund war leicht geöffnet, die Augen halb geschlossen. Etwas so Verführerisches hatte er noch nie erlebt.
Wie sollte er da widerstehen? Er zog sie zu sich heran und küsste sie. Es war ein langer, inniger Kuss, der sanft und langsam anfing und immer intensiver wurde.
Plötzlich entwand sich Jamie seinen Armen und drehte sich um. Wie alle andern im Zimmer folgte er ihrem Blick. Im Türrahmen stand ein blonder Mann, der eine Reisetasche in der einen und einen üppigen Blumenstrauß in der
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