die ganze Sache niemals aufhört. Ab morgen werde ich die Treppen wohl doch wieder hoch- und runterschleichen müssen.
Und wir?
Warum meldest Du Dich nur so kurz und nur so kurz angebunden? Dabei könnte ich Deinen Rat jetzt gut brauchen. Warum bist Du nicht hier und lieferst mir den perfekten Grund, Petzi wieder nach Hause zu schicken? «Tut mir leid, aber ich habe Damenbesuch.»
Damenbesuch statt Dramenbesuch sozusagen. Kleiner Scherz. Aber vielleicht bist Du nicht zu Scherzen aufgelegt. Ich eigentlich auch nicht. Aber jetzt ist es zu spät.
Verzeih mir bitte, was immer ich falsch gemacht habe. Und wenn es hilft: Ja, okay, ich würde auch noch mal chatten.
Dein Berti
PS . Das mit dem
Rocker
und Petzis kurzem Rock, ist das ein Zufall? Wollte sie mir zeigen, dass sie auch eine Rockerin ist? Eine
Rock
erin! Verstanden?
Nicht so gut, oder?
PPS . Mein Gott, Berti, lass es einfach. Die Dame ist studierte Psychologin und mag keine billigen Wortspiele.
PPPS . Zu spät.
***
Do 10. November 20:37
Betreff: AW : Chatten no more
Von:
[email protected] An:
[email protected] Lieber Berti,
also, um ehrlich zu sein, geht mir deine Petzi auf die Nerven. Denn:
sie ist durchtrieben und billig,
ich mag schon ihren seltsamen Spitznamen nicht,
sie scheint eine Frau der Sorte zu sein, die nicht «mit anderen Frauen kann, weil die zickig sind», obwohl sie selber großes Zickenpotenzial zu haben scheint,
sie lässt meinen Berti weniger männlich erscheinen, weil er nicht auf ihre rockigen Reize reinfällt und sie flachlegt. Oder im Gegenteil, weil er nicht stark genug ist, sich ihr gegenüber zur Wehr zu setzen. Vielmehr scheint mein Berti die Zuneigung einer Frau zu brauchen, die nicht nur mit langen Beinen und großen Brüsten, sondern offenkundig auch mit einer pathologischen Persönlichkeitsstörung ausgestattet ist.
Einen Abend später …
Vergiss, was ich gestern geschrieben habe!
Die eigentliche Wahrheit ist: Nicht Petzi ist gestört. Auch glaube ich nicht, dass du mehr Bestätigung brauchst als andere Menschen oder weniger Abgrenzungsschwierigkeiten hast als die meisten Leute – nein, ich bin das pathologische Problem!
Nachdem ich Fiete gestern Abend die Frage: «Und, was macht dein virtuelles Verhältnis?» beantwortet habe, sagte er, ich sei eifersüchtig. Und wenn Fiete das sagt, hat er recht. Denn für einen Mann hat er ein erstaunlich gut entwickeltes Einfühlungsvermögen.
Also, ich gebe es zu: Ja, ich bin irgendwie eifersüchtig auf deine wie auch immer geartete Nachbarin. Schon allein deswegen, weil sie sich die Freiheit herausnimmt, mit Prosecco zu dir raufzugehen und dich spontan zu überfallen, wann immer ihr danach ist. Das ist irgendwie gemein. Sie ahnt nicht mal, dass sie damit auf meinen Gefühlen herumtrampelt. Und allein deshalb finde ich sie schon komplett unsympathisch.
Meine Schwester dagegen sagt, ich sei überreif für ein Date mit einem befreundeten Kollegen ihres Mannes. Und wenn meine Schwester das sagt, hat sie zwar nicht unbedingt recht, aber ein erstaunlich gut entwickeltes Durchsetzungsvermögen. Soll heißen: In Kürze steht mir ein peinliches Verkuppelungsdate mit einem Mann bevor, der mich höchstens deshalb interessiert, weil er mir ein wenig Ablenkung von meinem Berti-Abwesenheits-Syndrom verschaffen kann.
Denn die ganz ehrliche Wahrheit ist: Du gehst mir nicht aus dem Kopf.
Das Engelchen auf meiner linken Schulter klatscht vergnügt in die Hände und feiert eine kleine Party. Während das Teufelchen auf der rechten Schulter schon die Forke wetzt und sich auf Höllenqualen am Spieß freut.
Um also die ganz, ganz ehrliche Wahrheit preiszugeben: Ich will nicht chatten, mein Lieber, sondern ich will dich in echt. Mit Anschauen, beschnuppern und Stimme lauschen. Ich will in deinem Gesicht lesen, ob du ein Mann bist, dem ich vertrauen kann. Denn das ist es, was ich verlernt habe: das (Ver-)Trauen.
Sollte ich dir wirklich eines Tages mal von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen, vielleicht auf dem magischen Balkon mit grünem Sofa, werde ich dir erklären, warum mir diese Fähigkeit abhandengekommen ist. Vielleicht braucht es einfach Zeit, bis die Wunden der Vergangenheit so weit geheilt sind, dass ich die Narben nicht mehr spüre. Doch noch sind sie so empfindlich, dass sie bei der kleinsten Erschütterung – wie am vergangenen Samstagabend – aufreißen und schmerzen.
Und nun steht mir ein