ich habe den restlichen Tag geschlafen.
Leider immer noch keine Mail von Dir. Wie gesagt, es tut mir leid, dass unser Chat unterbrochen wurde, aber was sollte ich machen? Petzi stand direkt vor der Tür, und sie hat gehört, dass ich da bin. Ich hätte sie doch wohl nicht wegschicken können, oder?
Ich muss jetzt zur Arbeit und hoffe, es geht Dir gut.
Dein Berti
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Di 8. November 17:30
Betreff: AW : Ist was?
Von:
[email protected] An:
[email protected] Hallo Berti,
was soll sein? Alles wie immer. Viel Arbeit, wenig Freiraum. Meine Schwester nervt, genau wie deine Nachbarin. (Wenn es sie denn überhaupt gibt. Ha, ha.)
Melde mich, wenn ich wieder mehr Luft habe.
LG
S.
***
Di 8. November 20:30
Betreff: Chatten no more
Von:
[email protected] An:
[email protected] Liebe Sara,
nach langem Überlegen bin ich zu dem Entschluss gekommen: Chatten ist mir zu modern. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht mehr, worum es in unserem Gespräch ging. (Kann man diese Gespräche eigentlich irgendwie speichern?) Und die Nähe, die ich für einen Moment zu Dir gespürt habe, ist durch das abrupte Ende total weg, hat sich sogar ins Gegenteil verkehrt.
Wahrscheinlich ist es meine Schuld, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich hätte anders machen sollen.
Petzi wirkte so deprimiert, und auch wenn mir die Dame eigentlich total fremd ist, hatte ich das Gefühl, ich muss ihr helfen. Am Ende des Abends war ich sogar froh über unser Gespräch, denn jetzt habe ich endlich den Eindruck, der Frau offener und freier gegenüber sein zu können. Keinen eigenartigen Kloß mehr im Hals, wenn ich das nächste Mal die Treppen hochgehe. Wir …
Drei Stunden später:
Okay, den letzten Satz nehme ich wieder zurück. Ich bin kein Stück freier und offener gegenüber Petzi. Sie stand nämlich eben schon wieder vor der Tür.
Diesmal wollte sie sich für den komischen Auftritt am Samstag bei mir entschuldigen und für die Umstände, die sie mir gemacht hat. Ich wollte sie diesmal eigentlich abwimmeln, aber mit ihren schlangenartigen Bewegungen hat sie sich förmlich an mir vorbeigeschummelt und stand im nächsten Augenblick schon mit einer Flasche Sekt (klar, Rosé!) in meiner Küche. Ich habe noch protestiert und gemeint, heute ginge es wirklich gar nicht und ich hätte noch einen dicken Kopf vom letzten Mal. Aber echte Bayern sind manchmal auf eine Art und Weise nervig und liebenswert zugleich, dass ich sie einfach nicht rausschmeißen konnte. Ich glaube sogar, sie hat gar nicht gemerkt, dass ich sie raushaben wollte. Oder sie hat meine Andeutungen nicht ernst genommen. Petzi gehört offenbar zu den Menschen, die ein sehr großes Selbstbewusstsein haben (außer bei Liebeskummer …). Sie dachte wahrscheinlich, ich würde sie nur aus Schüchternheit loswerden wollen.
Jedenfalls fühlte sie sich bei mir schon wie zu Hause, holte die Sektgläser aus dem Schrank und saß im nächsten Moment bereits auf meinem Sofa. Mit so einem Lächeln, das mich total unsicher gemacht hat. Beim Anblick ihres verdammt kurzen Rocks fragte ich mich: Will sie sich jetzt entschuldigen, oder sucht sie einen Ersatz für ihren
Rocker
? (Und das, wo ich doch bestimmt kein Rocker bin.)
Und schon war ich wieder mitten in einem dieser Abende, die ich so hasse. Berti als Sprücheklopfer und Alleinunterhalter. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut, habe dumme Witze gemacht und kam mir dabei steif und unlocker vor. Dennoch musste ich mit ansehen, wie sich mein Gegenüber mehr und mehr entspannte und offenbar köstlich amüsierte. (Okay, das kann auch daran gelegen haben, dass Petzi sich nach der Flasche Sekt noch eine zweite Flasche aus ihrer Wohnung holte.)
Was ist bloß los mit mir? Warum konnte ich meiner Nachbarin nicht sagen, dass ich alleine sein will? Warum kann ich nicht dazu stehen, dass ich uncool bin? Ich dachte immer nur, dass ich sie so schnell wie möglich wieder loswerden will, wusste aber absolut nicht, wie.
Vor 20 Minuten ist es mir dann endlich gelungen. Dabei hatte ich das Gefühl, Petzi wäre gerne über Nacht geblieben. Jedenfalls durfte ich mir den ganzen Abend zweideutige Sätze und Anspielungen anhören (um nicht zu sagen: überhören!).
War ich als Ersatz für ihre verpatzte Affäre gedacht? Als Akt der Rache?
Zu allem Überfluss muss ich nun wieder fürchten, dass sie morgen erneut auf der Matte steht, um sich für heute Abend zu entschuldigen, und