und obendrein verlegen, weil ich nicht weiß, wie ich dir klarmachen soll, dass ich dich in deinem frühmorgendlichen Lauf leider ausbremsen muss. Und während ich noch um die so ungewöhnlich harten Worte ringe und mir dabei fortwährend auf die Lippen beiße, frage ich mich, ob wir nicht den ersten Schritt vor dem zweiten tun sollten. Also, jetzt, da du nicht mehr chatten magst, hättest du eventuell spontan Lust, mit mir zu telefonieren?
Ich werde den ganzen Abend zu Hause sein und nicht auf deinen Anruf warten (oder aber wenigstens so tun, als würde ich nicht darauf warten). Dir steht es natürlich frei zu entscheiden, wann du mir deine sicher wunderbar warme Stimme erstmals vorstellen möchtest. Aber ob wir darauf bis zu einer ersten persönlichen Begegnung warten müssen?
Denn ich fürchte, dass ich genau dafür irgendwie noch nicht bereit bin – jedenfalls nicht mehr in diesem Jahr, das so furchtbar begonnen hat und endlich abgehakt werden soll.
Also, bis heute Abend am Telefon. Ich freu mich!
Küsschen,
Sara
PS . Meine Nummer: 040/3398179
***
So 13. November 21:27
Betreff: Entschuldigung
Von:
[email protected] An:
[email protected] Guten Abend, Berti
oder sollte ich treffenderer Weise lieber «schlechten Abend» schreiben?
Also, mein Abend ist schlecht – nicht ganz so schlecht wie der gestrige, den ich mit Chianti, Milka und Clint Eastwood auf dem Sofa, aber ohne Berti am Telefon verbracht habe.
Bist du sauer? Oder verletzt? Oder beschäftigt – etwa mit Petzi?
Also, um es kurz zu machen:
Ich möchte dich treffen, ja. Und ich möchte mit dir telefonieren, ja. Und ich möchte weiter mit dir mailen – und chatten, natürlich. Aber eins möchte bzw. kann ich nicht: dich an einem der von dir genannten Wochenenden zu treffen.
Es ist nämlich so, dass ich ausgerechnet nächstes Wochenende mit Jörg verabredet bin. Du weißt schon, das Verkuppelungsdate, das ich schon zwei Mal abgesagt habe und von dem zwar nicht mein Seelenfrieden, aber der ganze Haussegen abhängt. Meine Schwester tut sogar so, als würde
ihr
Seelenfrieden davon abhängen.
Ich werde also ein stinklangweiliges Höflichkeitsessen über mich ergehen lassen (natürlich nicht in meinem Lieblingslokal mit den weißen Tischdecken und den dunklen Kerzen – das ist für unser erstes Treffen reserviert!). Dann komme ich hoffentlich endlich aus der Schusslinie der stechenden Pfeile des Möchtegern-Amors.
Ich mag Nina wirklich sehr, aber manchmal hasse ich sie auch mindestens genauso doll. Am meisten dann, wenn sie mich in Grund und Boden redet und mir das Gefühl gibt,
ich
sei die kleine Schwester und nicht sie. Sie ist so besessen von der Idee, dieser Jörg und ich seien ein Traumpaar … Obwohl das nach Beurteilung meines ersten – und wie du weißt – oft sehr treffsicheren Eindrucks zu beinahe 100% ausgeschlossen ist.
Und was deinen Vorschlag mit Silvester betrifft, so muss ich dir auch dafür leider einen Korb geben. «Leider» mit Einschränkung, denn der Grund, warum ich nicht kann, ist eigentlich ein sehr schöner: Ich werde aller Wahrscheinlichkeit nach das verlängerte Silvesterwochenende mit meiner engsten Freundin Melli (habe ich dir schon von ihr erzählt?) in New York verbringen. Auch sie hat ein besonders beschissenes (sorry!) Jahr hinter sich, was nach einem besonders schönen Ende als Gegenpol schreit. Und so haben wir schon im Frühjahr verabredet, uns diese Trostreise zu gönnen. Da Melli in Köln lebt, sehen wir uns ohnehin viel zu selten, weswegen ich ihr nur ungern absagen möchte.
Bliebe also noch das Skifahren im Januar. Aber auch dort hast du nicht nur zielsicher eine Sportart ins Auge gefasst, für die ich als Nordlicht vollkommen ungeeignet bin, sondern außerdem ein Wochenende vorgeschlagen, an dem ich zu einer Tagung muss. Das ist keine Ausrede. Wieso auch, wenn ich genauso gut ehrlich zu dir sein kann?!
Ich nehme sehr selten an solchen Veranstaltungen teil und musste mich bei meinem Chef mehrfach mit Ellenbogen und Wimpernaufschlägen dafür einsetzen. Die Tagung findet in Berlin statt, und da München nicht unbedingt auf dem Weg liegt, muss ich also zusammenfassen: Du hast so ziemlich die einzigen Termine des Winters gewählt, an denen ich nicht kann. Und das wiederum zeigt mir, der
flow
will uns noch nicht so bald zusammenführen. Wofür es bestimmt einen guten Grund gibt …
Und jetzt beschimpfe mich! Oder noch besser: Bemitleide mich