erreichen und welche nicht. Aber dein Stolz lässt es natürlich nicht zu, auf meinen Vorschlag einzugehen, dass wir uns zunächst akustisch und dann visuell nähern. Aber nein, sei ruhig ganz Macho und stur und unnachgiebig und vor allem eifersüchtig auf Nebenbuhler. (Auch wenn sie zum Misserfolg verdammt sind.) Das macht dich nur noch interessanter, aber das sage ich dir lieber nicht. Sonst könntest du noch weniger verstehen, warum ich spüre, dass der
flow
uns offenbar zu keiner flüchtigen Bekanntschaft führt, sondern zu einer gereiften Begegnung, die uns hoffentlich auch nachhaltig bewegt.
Nun beende ich diese Mail. Dabei könnte ich noch stundenlang weiterschreiben, zum Beispiel darüber, wie meine Berti-Phantasien meinen trostlosen Alltag farbig machen und mir das einsame Einschlafen erleichtern. Oder darüber, dass ich an dich denke, wenn Nina von einem ganz anderen schwärmt. Oder darüber, dass ich mir ein kleines Sofa auf den überdachten Teil meiner Terrasse gestellt habe. Oder darüber, dass Fiete ein großer Fan von dir ist, und darüber, dass mein virtuelles Liebesleben mich mehr über die Täler im Job hinwegtröstet, als du ahnst … Aber ich schließe für heute, weil ich nicht weiß, ob du noch beleidigt bist. Für den Fall hebe ich mir meine romantischen Worte für ein anderes Mal auf.
Küsschen
Sara
PS . Wenn du schon nicht meine Telefonnummer benutzt, dann versuch’s wenigstens mal mit der Nummer zu meiner aktuellen Gedankenwelt – eine Pflichtlektüre für jeden Psychologen und jeden (Ex-)Partner, der seine gescheiterte Vergangenheit verstehen und eine hoffnungsvolle Zukunft kreieren will: ISBN 978-3492251372.
***
Do 17. November 20:30
Betreff: Voll ins Leere
Von:
[email protected] An:
[email protected] Liebe Sara,
ich bin enttäuscht. Da verbringe ich aus Wut und Kummer einen verstörenden Abend in einer Zappelbude, fahre Fahrrad durch die dunkelste Nacht, heule an einer anonymen Ampel – und was ist das Ergebnis?
Ich bekomme eine fröhliche Mail, die sich kein bisschen dafür entschuldigen mag, dass man mich offenbar nicht so bald sehen will. Ist das die Vorfreude auf Dein Kollegen-Date? Ich meine, bringt Dich das – trotz gegenteiliger Behauptung – dermaßen in beschwingte Wallung? Oder in einen neumodischen
flow
? Was soll dieser «flow» eigentlich sein, von dem Du in letzter Zeit dauernd schreibst? Steht die Antwort darüber in diesem Sex-Buch? «Die Psychologie sexueller Leidenschaft» von einem Psychologen namens David Schnarch??? Ich meine, schreibt er so, wie er heißt? (Und hast Du mir wegen seines Namens nicht den Titel genannt, sondern umständlich die Bestellnummer aufgeschrieben, die ich zuerst für den Titel hielt und dachte: Warum empfiehlt sie mir ein Science-Fiction-Buch?)
Da ich morgen mit einem alten Kollegen Squash spielen gehe, werde ich ihn mal fragen. Ich meine, wenn
flow
etwas Schlüpfriges (siehe Dein Sex-Buch) ist, weiß er es garantiert.
Ich lasse Dich hiermit jedenfalls wissen, dass ich noch sehr sauer auf Dich bin und auch sauer darüber, dass in Deiner Mail keinerlei Andeutung über einen Alternativ-Vorschlag für unser erstes Date zu spüren, hören oder lesen ist. Ist wahrscheinlich aber auch zu viel verlangt, wenn man über Sylvester nach Neu Jork fliegt. Ganz schön Schicki-Micki übrigens! Mit einem Glas Champagner am Times Square?
Zur Strafe höre ich jetzt «Wir sind Helden», die mir versprechen, dass die Zeit alle Wunder heilt und später nur noch Narben sind, dort, wo mal Wunder waren. Auch das größte Wunder geht vorbei, und wenn es dich nicht loslässt, dann zähl bis drei.
Eins, zwei, drei …
PS . Ich weiß übrigens sehr wohl, dass Silvester sich nicht mit Y schreibt, aber ich stehe zu meinen Schreibfehlern. Außerdem stehe ich auf Sylvester, den Kater, und mein Sylvester ist sozusagen eine Hommage an ihn, Frau Lehrerin!
***
Fr 18. November 20:11
Betreff: So nicht
Von:
[email protected] An:
[email protected] Hallo Berti,
ich bin hin- und hergerissen. Einerseits imponiert mir dein Beleidigte-Leberwurst-Gehabe, weil es mir zeigt, dass du mich offenbar ebenso wertschätzt wie ich dich. Andererseits lässt es mich zweifeln an meinem Brieffreund, dessen positive Eigenschaften Klugheit, Sanftheit und Unbedarftheit ich so gernhabe, die aber allesamt außer Gefecht gesetzt scheinen, nur weil ich nicht sofort springe, wenn er das Stöckchen