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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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wirft.
    Nicht nur Psychologen wissen, dass Menschen, wenn sie derart wütend überreagieren, meist etwas damit kompensieren. Weil sie es in frühster Kindheit nicht gelernt haben, Gefühle wie Wut und Trauer zum Ausdruck zu bringen.
    Dass du enttäuscht bist, finde ich in Ordnung. Es schmeichelt mir sogar. Aber dass du sauer bist, empfinde ich als unangenehm und unangebracht. Dieses Jahr hat gerade mal noch sechs dunkle, einsame Wochen. Für das nächste Jahr habe ich mir vorgenommen, dass alles anders wird: hell, farbig und voller Liebe und Freude. Wenn du wüsstest, wie sehr mich die vergangenen 11 Monate gequält haben, würdest du verständnisvoller und geduldiger reagieren. Aber vielleicht interessiert es dich auch gar nicht. Ich meine, abgesehen davon, dass ich dir von meiner brutal gescheiterten Ehe mit unsagbar erschütterndem und furchtbar plötzlichem Ende lieber in einem persönlichen Gespräch (zum Beispiel am Telefon!) erzählen möchte, hast du kein einziges Mal nach meiner Vergangenheit gefragt. Mehr noch: Du hüllst dich in Schweigen und tust so, als gäbe es gar keine Vergangenheit. Interessieren dich andere Menschen auf dieser Welt überhaupt? Außer deiner Mutter und mir? Wieso erwähnst du nie auch nur eine andere Frau außer Petzi? Gab es nie eine? (Das wäre seltsam.) Gab es eine, die du vor mir versteckst? (Das wäre unehrlich.) Gibt es gar eine? Führst du ein Doppelleben – mit Sara in der virtuellen Welt und einer Frau, drei Kindern, Hund und Haus in der realen Welt?
    Ich sehe dein mir unbekanntes Gesicht gerade vor mir, wie es sich vor Zorn zusammenzieht. Aber es gibt keinen Grund, wütend oder sauer auf mich zu sein. Ich will dir mit all meinen Überlegungen nur zeigen, dass es außerordentlich bemerkenswert ist, dir trotz aller offenen Fragen zu vertrauen. Und dass ich es tue, dass ich wieder beginne, einem Mann zu vertrauen, ist etwas sehr Besonderes. Sicher, das Vertrauen ist vielleicht noch ausbaufähig. Aber dafür, dass ich es – wie bereits betont – eigentlich vollends verlernt hatte, bringe ich dir einen riesigen Vorschuss davon entgegen. Und deshalb wünsche ich mir so sehr, dass du ihn zu würdigen weißt und mich nicht bedrängst, sondern akzeptierst, dass ich noch nicht so weit bin, mich noch mehr auf dich einzulassen, als ich es schon längst getan habe. Und wenn ich schon schicki-micki-mäßig und versnobt Silvester oder Sylvester am Times Square stehe und Prosecco trinke, werde ich an Mitternacht sicher nur an eine Person auf dieser Welt denken: nämlich dich.
     
    Grüße
    Sara
    ***
    Sa 19. November  16:30
    Betreff: Entschuldigung
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Liebe Sara,
    tut mir leid.
    Ich möchte mich entschuldigen. Und zwar für meine letzte Mail, die offensichtlich zu ernst klang und doch nur halb ernst gemeint war.
    Aber besonders tut mir leid, dass ich offenbar unseren Briefverkehr ziemlich egoistisch gestaltet habe und nur von mir rede. Das ist mir, ehrlich gesagt, gar nicht aufgefallen. (Peinlich!) Immerhin dachte ich, ich sei Dir gegenüber wirklich sehr ehrlich und offen. Aber Dein Brief hat mir gezeigt, dass dazu auch gehört, offen für den anderen zu sein und mal nachzufragen und Interesse zu bekunden. Mist. Es soll keine Ausrede sein (ist es trotzdem, ich weiß), aber ich hatte irgendwie das Gefühl, Du möchtest nichts über Dich erzählen. Wie ich darauf gekommen bin, dass Du nichts von Dir preisgeben willst? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, es ist so ein Gefühl. Naja, wahrscheinlich mein Fehler. Wie gesagt, es tut mir leid.
     
    Die Information mit Deiner gescheiterten Ehe sitzt mir wie ein Kloß im Hals und macht mich betroffen. Darüber willst Du – verständlicherweise – nichts schreiben, aber es wäre mir eine große Ehre, wenn Du es mir eines Tages erzählen würdest. Ich würde es gerne hören. Genauso gern, wie ich mehr darüber erfahren würde, warum Du Dich offenbar in Deinem Job so quälst.
     
    Entschuldigung angenommen?
    Falls nicht, kann ich noch hinzufügen, dass ich mir wie ein bockiges Kind vorkomme, weil ich so unbedingt wollte, dass Du auf ein sofortiges Treffen mit mir eingehst. Das war vielleicht ein bisschen albern. Ich habe mich da wohl in etwas verrannt.
    Andererseits fühle ich mich aber auch ungerecht hart ausgeschimpft. In Deiner letzten Mail hast Du ganz schön die Psychologin raushängen lassen. Selbst schuld, höre ich Dich sagen. Und: recht hast Du.
    Du hast

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