zurückgesetzt gefühlt, dass sich alles in einer riesigen Wut kanalisierte und irgendwie rausmusste. Natürlich habe ich inzwischen wieder mit Melanie geredet. Sie gibt zu, dass sie sich nicht mehr so sicher ist, wie wir das mit den Tickets handhaben wollten. (Zumal ich sie damals auch gefragt hatte, ob ich ihr Geld überweisen solle oder wir das mit dem Hotel verrechnen wollen. Das habe ich ja übernommen. Sie meinte daraufhin, dass wir auch nach der Reise alles abrechnen könnten …)
Tja, es war also ein selten dämliches Kommunikationsproblem, und wir haben uns letztlich wieder versöhnt. Aber ich fürchte trotzdem, dass das immer zwischen uns stehen wird. Ich kenne mich doch. Ich bin bei manchen Sachen so scheiße nachtragend (was ich natürlich nie zugeben würde!). Außerdem werde ich einfach das Gefühl nicht los, dass sie dieses Missverständnis billigend in Kauf genommen hat, weil sie einfach lieber mit ihrem Lover die Feiertage verbringen will.
Wie auch immer. Mir geht es inzwischen wieder besser. Gestern bin ich spontan einen halben Tag in Sankt Peter-Ording an der Nordsee gewesen und habe einen richtigen Gewaltmarsch am Strand bei gefühlten 20 Grad minus gemacht. Ich habe mich zwar unendlich einsam gefühlt. Aber es hat trotzdem gutgetan, mich ein bisschen selbst zu bemitleiden. Und glücklicherweise habe ich ja dich – und Fiete. Der ist dir leider auch schon zuvorgekommen und hat spontan eine Trost-Silvesterveranstaltung für mich organisiert. Das heißt, er hatte vorher lange überlegt, ob er seine Kneipe an dem Abend öffnen soll oder nicht. Aber als er realisiert hat, dass für mich wegen der ausgefallenen Reise eine kleine Welt zusammengebrochen ist, hat er spontan ein paar Freunde zusammengetrommelt, die nun alle bei ihm im «Fietes» feiern wollen. Wenn die Gäste nicht alle so schräg (oder schwul) wären, sprich, wenn ich mehr «normale» Freunde hätte, würde ich dich ja glatt nach Hamburg einladen. Aber die mag ich dir wirklich nicht zumuten bei unserem ersten Treffen. Und mit deinem Silvesterprogramm kann das sicher ohnehin nicht mithalten.
Außerdem wäre ich dir an diesem Abend bestimmt eh keine gute Gesellschaft. Ich werde mich lieber betrinken, um Mitternacht einsam an einer Laterne lehnen, das Feuerwerk über Hamburg ansehen und es mir so richtig schön mies gehen lassen. Ich werde rote Unterwäsche tragen und an dich denken und versuchen, um Mitternacht nicht in Tränen auszubrechen.
Sei bloß nicht so leichtsinnig, mir doch noch deine Handynummer zu geben. (Achtung: Sarkasmus!) Sonst käme ich Silvester garantiert noch auf die verwegene Idee, dir im betrunkenen Zustand ein frohes und hoffentlich glückliches neues Jahr zu wünschen …
Falls dich die Einsamkeit jedoch auffrisst, rufe mich gerne, gerne an, ja?
Gruß & Kuss zurück
Sara
PS . Die Nummer zum Glück: 0176/60912169.
***
Do 29. Dezember 13:56
Betreff: Mittagspause
Von:
[email protected] An:
[email protected] Liebe Sara,
nur einen kurzen Gruß aus meiner Mittagspause und herzlichen Glückwünsch, dass sich die Freundschaft zu Deiner Melanie offenbar wieder etwas eingerenkt hat. Ich würde ja sagen, «Man weiß nie, wozu es gut ist», aber der Spruch ist selbst mir in Deiner Situation zu abgedroschen.
Schade, dass Du nicht nach München kommen magst, aber ich heuchle einfach mal Verständnis und gehe zur Tagesordnung über.
Ich sitze heute noch im Büro – und wahrscheinlich auch länger – und arbeite Heidrun ein. Sie scheint wirklich herzensgut zu sein. Und ist dazu, wie sagt man, geerdet. («Vom Leder ziehen» kenne ich zwar, aber ob das ein typisch bayrischer Ausdruck ist, weiß ich nicht.) Wer zwei Kinder großgezogen hat, dreimal mit den Firmen, bei denen sie arbeitete, pleitegegangen ist (wie mir in den letzten Stunden angedeutet wurde) und einmal die Welt umsegelt hat, der ist auf eine Art und Weise cool, wie andere es gerne sein möchten. Auch ohne Designerklamotten und schicke Sonnenbrillen.
Heidrun ist relaxt und hat ganz offensichtlich Lust auf die Arbeit (und keine fragwürdigen Ansichten über Männer und Frauen!). Das tut auch mir gut, macht mich ruhig. Ich weiß, das Leben geht weiter.
Dieses Gefühl hat mir meine Mutter früher schon als Kind vermittelt, so wie es wahrscheinlich alle Kinder von ihren Eltern lernen sollten: Es geht immer irgendwie weiter.
Oje, werde ich jetzt melancholisch? Das geht ja gar nicht, denn ich will froh und gut