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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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Von ihm. Von
meinem
Mann!
    Er ist nämlich privat versichert. Und da diese Geliebte (ich will bis heute ihren Namen nicht aussprechen oder schreiben) sich nicht nur das Herz und das Sperma meines Mannes geangelt hatte, sondern anscheinend auch sein (gutes) Geld, übernahm er alle Rechnungen – auch die des sogenannten Ersttrimesterscreenings des Embryos in der 13. Woche. Ich dachte erst, es sei ein Versehen, dass Johann eine Rechnung von einer Frauenarztpraxis bekommt, und machte den Brief vollkommen unbedarft auf. Ich tat es in der aberwitzigen Annahme, das Schreiben sei aus irgendeinem Grund für mich. Aber nein, es ging um die Untersuchung seines offenbar gesunden Kindes, das er mit der anderen gezeugt hat!
    Mein Urvertrauen in ihn, vor allem aber in meine eigene Intuition, war vollkommen zerstört – auch wenn ich weiß, dass er aus Angst, mir noch mehr weh zu tun, geschwiegen hat.
    Aber das, was ich in den ersten Wochen des letzten Jahres durchgemacht habe, wünsche ich meiner ärgsten Feindin nicht. Ich meine, beruflich kannte ich schon die Abgründe der menschlichen Psyche. Aber ich hatte sie nie selbst so extrem gefühlt. Und glaube mir, auch wenn ich heute mit etwas mehr Abstand weiß, wofür all der Schmerz gut war und wieso die Natur offenbar schon früher ahnte, dass meine Gene mit denen von Johann nicht harmonieren, so gab es doch eine extrem düstere Zeit, in der ich nicht mehr leben wollte. Ich würde mir zwar nie etwas antun. Das kann ich, glaube ich, nun nach der Erfahrung mit fester Sicherheit sagen. Aber entscheidend ist: Das war definitiv der tiefste Punkt meines Lebens.
    Es hat Wochen gedauert, bis ich wieder lächeln konnte. Monate, bis ich wieder schlafen und essen konnte. Und es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis ich mir ein anderes Leben als das, was ich mir so sehr gewünscht hatte, vorstellen kann.
    Heute habe ich mich von all dem einigermaßen erholt. Selbst die Geburt seines Kindes im Mai hat sich mehr nach Befreiung als nach Schmerz angefühlt.
    Das Einzige, was ich immer noch nicht gut kann, ist: einem Mann zu vertrauen. Ich kann nicht mal mehr meinem eigenen Herzen richtig trauen. Aber ich trainiere das jeden Tag. Wenn ich überfordert vor einem Joghurtregal stehe, versuche ich, auf meine Intuition zu hören. Soll ich einen Joghurt mit Vanille oder Frucht nehmen? Doch es fällt mir selbst bei solchen Banalitäten immer noch unendlich schwer, meinem eigenen Urteil zu vertrauen.
     
    Was mir wirklich Kraft gegeben hat, war schließlich der Austausch mit dir. Ich habe dich als einen durchaus vertrauenswürdigen Menschen (und Mann) kennengelernt. Und es ist, als würde mir das Schicksal eine Botschaft schicken: dass ich mich wieder öffnen und mir wieder vertrauen soll. Aber es fühlt sich eben nach wie vor so an, als bewegte ich mich auf dünnem Eis. Ich weiß nämlich, wenn ich in nächster Zeit noch mal hintergangen werden sollte, gehe ich zugrunde.
    Ich hatte mir selbst geschworen, erst alle Aufgaben für mich allein zu lösen – aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die Zukunft als ganz neuen Abschnitt zu begreifen. Als dann aber die Reise nach NY flachfiel, erschien mir das wie ein schlechtes Omen. Die Feiertage haben all den Schmerz des letzten Jahres wieder hervorgeholt, sodass mir selbst die neuerliche Begegnung mit dem Rosenkavalier bei meiner Schwester tatsächlich als willkommene Ablenkung erschien. Für mehr war ich noch nicht bereit. Und weil ich dich nicht unnötig verletzen wollte, habe ich die Geschichte mit Fietes Party erfunden. Er hat zwar tatsächlich was veranstaltet (was mir in der Silvesternacht auch alkoholtechnisch das Genick gebrochen hat, weil ich vollkommen überfordert und aufgelöst bei ihm ankam). Aber er hat die Feier nicht meinetwegen angeleiert. Das war also eine Notlüge, und sie tut mir heute verdammt leid. So wie es mir ebenso leidtut, dass du den langen Weg nach Hamburg und zurück ganz umsonst auf dich genommen hast.
    Es zerreißt mir das Herz, wenn ich mir vorstelle, wie du dich um Mitternacht gefühlt haben musst. Nina hat mir den enttäuschten Blick deiner traurigen Augen beschrieben. (Immerhin weiß ich jetzt, dass sie tatsächlich grün und sehr schön sind.)
    Ich komme mir vor wie ein Monster, und ich würde alles tun, um die Zeit zurückzudrehen. Ich wollte dich nicht verletzen und vorführen. Alles, was ich will, ist, mich auf dich einzulassen – mit Vertrauen und Ehrlichkeit. Das mag an dieser Stelle paradox klingen.

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