HERZ HINTER DORNEN
wilden Zorn, der angesichts dieser Tücke in ihm aufglomm. »Wollt Ihr Euch auch mit dem Papst anlegen? Das hieße einen Skandal mit dem nächsten bekämpfen.«
»Sie ist Novizin und hat noch kein bindendes Gelübde abgelegt. Ihr sorgt Euch umsonst. Und nun kommt, ich würde die Angelegenheit gern hinter mich bringen. Ihr habt Euer Wort gegeben, dem Befehl des Königs zu folgen.«
»Welch segensreiche Verquickung von Ehrenrettung und Geschäftssinn«, spottete der Graf ärgerlich. »Oder müsst Ihr Euch die Beute mit Rufus teilen? Vielleicht legt er Wert auf das Dorf und die Burg von Luthais, sozusagen als Erinnerung an mich.«
»Ich denke nicht, dass Ihr Anlass habt, unseren König zu verhöhnen, Seigneur«, entgegnete der Baron von Aylesbury steif. »Die Tat, die diese Folgen nach sich zieht, habt Ihr schließlich selbst begangen. Ihr hättet das Mädchen nur zurück nach Winchester bringen müssen.«
Der Normanne presste die fein geschwungenen Lippen schmal aufeinander, und die Narbe in seinem Antlitz leuchtete in blutigem Rot. Mochten die Cambremers doch glücklich werden mit dem ergaunerten Reichtum, den ihnen Roselynnes Heirat bescherte. Er hatte ohnehin längst darauf verzichtet. Das Einzige, was ihn noch interessierte, war die Haltung seiner Braut. Welche Rolle spielte sie in dieser miserablen Posse?
Der erste Blick auf die Lady brachte ihm keine Erklärung. Roselynne trug eine steinerne Miene fürstlichen Hochmuts zur Schau, die er so sehr an ihr verabscheute. Aristokratisch vom Scheitel bis zur Sohle, stand sie vor dem steinernen Altar der Klosterkirche und wartete auf ihn. Umflossen von den schweren Samtfalten eines nachtblauen Umhangs, dessen Futter aus Biberfell für die Jahreszeit viel zu warm war. Ihr bleiches Antlitz leuchte vor dem weichen, dunkelbraunen Hintergrund der Kapuze.
Nicht eine Haarsträhne milderte die klösterliche Strenge der reinen Züge, aber die brennenden Kerzen warfen schimmernde Lichter auf den Pelz und ließen ihre alabasterfarbene Haut durchsichtig schimmern. Sie hatte die Lider über die Augen gesenkt, sodass das Licht fächerförmige Schatten auf die zarten Wangenknochen zeichnete. Nur die rosigen Lippen und die gewölbten, schwalbengleichen Brauen zeichneten Konturen in ihre Blässe. Die elfengleiche, herzzerreißende Schönheit dieses stillen Gesichts traf ihn bis ins Herz, obwohl er sich zu wappnen versucht hatte.
Er vernahm den scharfen Atemzug des Barons neben sich. Bemerkte er ebenfalls, dass dies keine glückliche Braut war, die auf ihren ersehnten Gemahl wartete? Nicht einen Herzschlag lang zweifelte er mehr daran, dass auch Roselynne zu dieser Farce einer Ehe gezwungen wurde. Allein, er hätte zu gern gewusst, womit.
»Mylady.« Er beugte das Knie in elegantem Hofzeremoniell, als er sie erreichte.
Sie beachtete ihn nicht, sondern heftete einen unverhohlen zornigen Blick auf den Baron von Aylesbury. »War das wirklich nötig, Ryan of Hythe?«
Justin sah aus den Augenwinkeln, wie der Baron jungenhaft mit den Schultern zuckte. »Was hast du erwartet? Dass deine Familie in aller Ruhe zusieht, wie du dich unglücklich machst?«
»Ihr hättet meine Entscheidung respektieren können«, fauchte Roselynne. »Warum musstest du Rufus mit hineinziehen?«
»Darf ich dich daran erinnern, dass er dein König ist, Schwester?«
Die Tatsache, dass er Recht hatte, erboste Roselynne nur noch mehr. »Ich will nicht, dass er sich in mein Leben mischt.«
»Du bist undankbar. Er schenkt dir auf diese Weise die Möglichkeit, mit erhobenem Haupte nach Hause zurückkehren zu können.«
»Das wollte ich nie. Ich wollte einfach nur in Montivilliers bleiben!«
»Du weißt selbst, dass das unmöglich ist. Du bist die Tochter eines mächtigen Lords, und der König hat die Macht über dein Schicksal.«
Die kurzen Sätze flogen wie Pfeile hin und her, und Justin d'Amonceux fühlte sich verpflichtet, der sinnlosen Diskussion ein Ende zu machen. Offensichtlich hatten die Monate im Kloster keinen Erfolg damit gehabt, Roselynne de Cambremer Demut und Gehorsam zu lehren.
»Gäbe es eine Möglichkeit, diese Ehe zu verhindern, glaubt mir, ich hätte sie gefunden«, wandte er sich schroff und direkt an sie. »Nachdem dies nicht der Fall ist, hört auf zu zetern.«
Die ungeduldige Mahnung veranlasste Roselynne zu einem ersten, flammenden Blick in seine Richtung. Einen atemlosen Herzschlag lang begegneten sich ihre Blicke, und er sah, wie sich ihre Pupillen entsetzt weiteten. Eine blasse Hand
Weitere Kostenlose Bücher