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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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bewirkt hatte. Bisher hatte sie den Schmerz gefürchtet, der unweigerlich damit verbunden war. Auch ohne die Entführung des Schotten wären ihr nur diese Stunden vergönnt gewesen, aber zwischen dem Wissen und der erlebten Wirklichkeit klaffte ein Abgrund der Einsamkeit und Qual.
    Dennoch entdeckte sie jetzt einen winzigen Hauch von Wärme unter all dieser Pein. Ein unverdrossenes, verschwindend kleines Glühen, das sich wie ein jähes Feuermal in ihre Handfläche grub. Ein Nadelstich besonderer Art. Kaum staubkorngroß, aber von einer trotzigen Kraft, die Verzweiflung und Elend einem Sturm gleich hinwegfegte und ihre Aufmerksamkeit forderte. Roselynne erstarrte unter diesem unerwarteten Anspruch. Wie war das möglich? Sie musste sich täuschen - oder nicht?
    Sie hatte - wie alle Schwestern - ihrer Mutter oft genug in der Kräuterkammer von Hawkstone geholfen. Sie besaß Kenntnisse des weiblichen Körpers, die weit über die unschuldige Ahnungslosigkeit einer normalen jungen Frau hinausgingen. Mit einem Male drängte sich dieses Wissen in den Vordergrund und sagte ihr, dass es noch eine andere Erklärung für die Gefühle geben mochte, die ihr zusetzten. Die unendliche Mattigkeit, die Anflüge der Übelkeit, die Empfindsamkeit ihrer Brüste, all das konnte eine Reaktion auf die brutale Entführung sein, es konnte aber ebenso gut darauf hindeuten, dass eine Frau ein Kind empfangen hatte. Aber war es denn überhaupt möglich, all dies schon nach so kurzer Zeit zu bemerken? Eigentlich nicht. Lag es womöglich an ihrer rätselhaften Gabe, mehr zu fühlen als andere Menschen, dass sie es plötzlich mit so unumstößlicher Sicherheit wusste?
    Sie vermochte es nicht zu sagen. Aber dass die Nacht mit Justin d'Amonceux nicht ohne Folgen geblieben war, stand für sie unzweifelhaft fest. In neun Monden würde sie das Kind des Normannen zur Welt bringen.
    Die unverhoffte Erkenntnis hob sie für einen Herzschlag lang über die Unbequemlichkeiten ihrer Lage und den Verlust ihrer Freiheit hinaus. Das winzige Glühen wurde zum Strahlen, das ihr. ganzes Sein durchdrang. Es vertrieb die Kälte aus ihren Gliedern, wandelte den Kummer in ihrem Herzen und stärkte ihren Geist in einem Augenblick, in dem er gerade aufgeben wollte.
    Justin hatte ihr ein Kind geschenkt! Sie besaß etwas, dem sie all die Liebe geben konnte, die in ihrem Herzen für ihn weiter lebte. Sie besaß einen Grund zu atmen, zu kämpfen und zu existieren! Sie hatte sich getäuscht, sie hatte nicht alles verloren!
    Der Schotte, der wie üblich kein Auge von ihr ließ, sah, dass ihre Blässe nach und nach einem rosigen Schimmer wich Dass sich ihre Schultern strafften und ihre Atemzüge tiefer wurden. Wie durch ein Wunder verschwand jene Aura von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die sie seit dem Erwachen aus ihrer todesähnlichen Ohnmacht umfangen hatte.
    »Siehst du«, murmelte er befriedigt und schob die Verwandlung auf die Tatsache, dass sie ein paar Bissen zu sich genommen hatte. »Du musst essen, dann geht's dir gleich besser.«
    »Ja.« Roselynne sah traumverloren auf und presste die Hand noch fester auf ihren Leib. »Ich muss essen. Habt Ihr noch ein Stück Brot?«
    »Donner noch eins!« Mittlerweile hatte sich Robert Duncan dermaßen an die stille, unverdrossene Auflehnung seiner Gefangenen gewöhnt, dass ihn ihre völlig überraschende Zustimmung wie der unerwartete Treffer einer Schleuder aus dem Gleichgewicht brachte. »Was geht hinter deiner Stirn vor? Welcher Satan reitet dich denn jetzt schon wieder?«
    Roselynne verzichtete darauf, ihm etwas zu erklären. Es hätte den Schotten nur noch mehr verwundert, wenn er um das unendliche Glücksgefühl gewusst hätte, dass sie in diesem Augenblick vom Scheitel bis zur Sohle erfüllte. Sie stand völlig im Banne ihrer Entdeckung. Auf einer anderen, praktischen Ebene ihres Bewusstseins begann ihr gelähmter Verstand ein wenig knirschend wieder zu arbeiten, die möglichen Konsequenzen abzuwägen und neue Pläne zu schmieden.
    Eines stand unverrückbar fest: Sie würde alles tun, alles erdulden und alles bewegen, um dieses Kind in ihren Armen halten zu dürfen. Es war nicht länger die Zeit für sinnlosen Trotz und düstere Verzweiflung. Sie hatte eine Aufgabe.
    Sie begegnete dem Blick des Schotten mit einem Glänzen in den großen, umschatteten Veilchenaugen, das neu und beunruhigend war. Es hätte ihn zur Vorsicht gemahnt, wäre ihm mehr über das Mädchen bekannt gewesen, das er so rüde entführt hatte. So

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