HERZ HINTER DORNEN
säen konnte. Sie wusste nicht zu sagen, welche Hartnäckigkeit sie dazu trieb, immer noch Widerstand zu leisten, aber sie tat es. Mochte sie sich im Geheimen damit abgefunden haben, dass es das Beste war, das Königreich zu verlassen, es hieß noch lange nicht, dass sie dem rücksichtslosen Barbaren, der ihr unerwünscht dazu verholfen hatte, auch noch Dank schuldete.
»Es bereitet dir Vergnügen, meine Männer zu piesacken, nicht wahr?«, sagte ihr Robert Duncan auf den Kopf zu und hockte sich neben sie an das mühsam qualmende Feuer, das mehr Rauch denn Wärme absonderte. »Du bist eine Hexe!«
Roselynne hob in jener unnachahmlich fürstlichen Art die Brauen, die sogar ein blasses, schmutziges Gesicht mit einer seltsamen Mischung aus Anmut und Würde überzog. Der Schotte wusste, dass seine Begleiter inzwischen heimlich fluchten, weil er sie dazu zwang, langsamer zu reiten. Zudem mochten sie die Blicke nicht, mit denen Roselynne sie bedachte. Bei aller zerbrechlichen Zartheit strömte sie eine solche Verachtung für sie alle aus, dass sich sogar der selbstsicherste Krieger in ihrer Gegenwart unwohl fühlte.
»Denkst du, es hilft dir, wenn du dich zu Tode hungerst?«, sprach er weiter, als hätte sie ihm geantwortet. »Bevor das geschieht, werde ich dir das Essen gewaltsam zwischen die Zähne schieben. Ich bin nicht der Mann, der eine Jagd vor dem Ende aufgibt. Hast du schon einmal gesehen, wie man schwache Kälber füttert? Man flößt ihnen die Milch mit einem Trichter ein, den man so weit in ihren Schlund treibt, damit sie schlucken müssen.«
Roselynne vermochte einen Schauer nicht zu unterdrücken. Aber dann fand sie ihren Gleichmut zurück. »Und Euch macht es Spaß, Eure Opfer mit Schauergeschichten einzuschüchtern«, beantwortete sie die erste Frage betont kühl. »Tut, was Ihr nicht lassen könnt. Es ist mir egal. Ich bin Eure Gefangene, und somit muss ich ohnehin erdulden, was Euch in den Sinn kommt.«
»Zum Donnerwetter, wie kann ein Weib nur so eigensinnig sein«, fluchte er. »Auch Schotten sind Männer. Glaubst du, wir unterscheiden uns von den rasierten Hähnen, die am Hofe des Königs um dich herum stolziert sind? Du solltest froh sein, dass du einen starken Krieger gefunden hast, der für dich eintritt und dich schützt. Bei mir wird dir kein Leid geschehen!«
»Ihr entführt mich vor dem Gotteshaus des Königs, erschreckt mich zu Tode, schleift mich durch Sturm und Regen nach Norden und haltet das auch noch für die passende Art, eine Edeldame zu behandeln«, zählte sie wütend auf. »Ich frage mich, was in Euren Augen Leid ist, wenn Ihr all das für normal haltet.«
»Du bist selbst daran Schuld. Weshalb hast du dich ständig gegen mich zur Wehr gesetzt?«, schob ihr der Graf die Schuld an den Ereignissen zu. »Du schadest nur dir selbst, wenn du mir weiterhin trotzt. Hier, iss das. Es wird dir besser munden.«
Er warf ihr einen Kanten Brot in den Schoß, den er offensichtlich von seiner eigenen Ration für sie aufbewahrt hatte. Ihre Erziehung zwang Roselynne zu einem geflüsterten Dank, obwohl sie an dem Wort fast erstickte. Das Brot war hart, aber mit ihren gesunden Zähnen riss sie gleich einem kleinen Tier Stück für Stück aus dem Brocken und spülte es mit dem kühlen Flusswasser hinunter, das MacDonald ihr vorhin gebracht hatte.
Die karge Mahlzeit dämpfte das hohle Rumpeln ihres Magens ebenso wie die leichte Übelkeit, die sie ständig begleitete. Es war schließlich kein Wunder, dass sich ihr ganzes Sein gegen die Ereignisse auflehnte. Unwillkürlich legte sie die flache Hand auf den Leib.
Die Erinnerung an die Geschehnisse in Winchester hatte sich im Lauf der vergangenen Tage völlig gelegt. Das Wundsein war ebenso verschwunden wie die Spannung der Muskeln, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Geblieben war nur eine gesteigerte Empfindsamkeit ihrer Brüste, die sich seitdem voller anfühlten, so als hätten sie plötzlich ein Eigenleben entwickelt, das über ihre bloße Existenz hinausging.
Roselynne schloss die Augen und sperrte den Schotten und seine unliebsame Aufmerksamkeit einfach aus. Ständig ruhten seine Augen auf ihr, als könnte er die Antworten auf seine Fragen auf diese Weise aus ihr herauszwingen. Aber sie hatte schon frühzeitig gelernt, ihre Gefühle für sich zu behalten, und diese Fähigkeit kam ihr nun zugute.
Es war das erste Mal seit der Nacht mit Justin d'Amonceux, dass sie es wagte, den Veränderungen genauer nachzuspüren, die er in ihr
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