HERZ HINTER DORNEN
könnte meinen ... ach, zum Henker.«
»Du erschreckst sie, wenn du ständig fluchst, hast du es nicht bemerkt? Sie ist von normannischem Blut und an Höflichkeit und feine Sitten gewöhnt.«
Ein neuerlicher Fluch bewies, was Robert Duncan von den Ratschlägen seines Gefährten hielt. Danach senkte sich Stille über das Lager am Fluss, die nur vom Rauschen des nächtlichen Windes und dem leisen Gemurmel des nahen Wassers unterbrochen wurde.
Es war endgültig zu dunkel, um weiterzureiten, Justin d'Amonceux fürchtete die Spuren zu verlieren, denen er nun seit zwei Tagen so erfolgreich nachritt. Anfangs hatte er Mühe gehabt, dem Reitertrupp zu folgen. Duncan hatte nicht den Weg nach London eingeschlagen, sondern war direkt über Oxford und Warwick nach Norden geritten. Er mied die Städte und Handelswege und schien die Richtung ohne Rücksicht auf Straßen und Wege direkt zu wählen. Seine Route glich mehr dem direkten Flug eines Vogels nach Norden denn einer Reise.
Wenn es noch eines Beweises für seine Vermutung bedurft hätte, dass er eine kostbare Beute in Sicherheit bringen wollte, dann bewies es dieser Gewaltritt. Erst vor zwei Tagen hatte ihn ein Händler, der von Gloucester nach Warwick zog, auf die richtige Spur gebracht. Der Trupp der Nordmänner hatte einen seiner Karren von der Straße gedrängt und in wilder Rücksichtslosigkeit nur Schaden hinter sich gelassen.
Jacques Boscot, der die düstere Stimmung seines Herrn und Freundes verstand, versorgte die beiden Pferde und kehrte erst nach geraumer Zeit an das kleine Feuer zurück, wo Justin gerade den Trinkschlauch absetzte und an seinen Gefährten weiter reichte.
»Morgen werden wir sie sicher einholen«, fühlte er sich bemüßigt zu sagen. »Es liegt an diesen verdammten Oktobertagen. Es wird viel zu schnell dunkel ...«
»Es trifft nicht nur uns. Auch die Schotten müssen Halt machen, wenn die Nacht hereinbricht«, entgegnete der Ritter mit einem Male ungewohnt gesprächig. »Sie können nicht riskieren, sich den Hals zu brechen. Ich hoffe nur, wir kommen nicht zu spät.«
»Die Dame ist eine kundige Reiterin. Erinnere dich daran, wie sie das durchgehende Pferd gemeistert hat und danach trotz ihres wüsten Sturzes unverzüglich wieder in den Sattel gestiegen ist.«
»In der Tat«, Justin schmunzelte leicht, als er sich das Bild der schwarzhaarigen Amazone vor Augen rief, die mitten in seinen Reisetrupp - wie auch in sein Leben -gerast war. Aber gleichzeitig fiel ihm ein, wer für diesen halsbrecherischen Galopp die Verantwortung trug. »Ich werde es ein Leben lang bereuen, dass ich mein Messer nicht in den Wanst des Schotten gegraben habe, als ich die Gelegenheit dazu bekam.«
»Ich würde dir dieses Mal zum Gebrauch des Breitschwertes raten«, schlug sein Begleiter nüchtern vor. »Der Kerl ist ein Riese und sicher ein gewitzter Kämpfer. Du musst auf jede Hinterhältigkeit gefasst sein.«
Der sachliche Ratschlag entlockte Justin d'Amonceux ein unterdrücktes Schnauben. »Bei einem Verhältnis von zweien gegen zwölfe können wir uns keinen ehrenhaften ritterlichen Zweikampf leisten. Ich fürchte, es wird auf Tücke und Gemeinheit hinauslaufen müssen, mein Lieber.«
»Auch dafür brauchst du deine Kräfte«, befand der junge Freund praktisch. »Ich werde wachen, während du schläfst.«
Justin wusste aus Erfahrung, dass es keinen Sinn hatte, Jacques in einem solchen Fall zu wiedersprechen. Er hatte von seiner Mutter den Auftrag übernommen, auf ihn zu achten, und er versah ihn mit der Treue eines edlen Hundes und der Festigkeit eines Felsens. Die Mutter seines Freundes hatte es als Einzige gewagt, ein wenig Wärme in das Leben des Erben von d'Amonceux zu bringen.
Der Graf rollte sich in seinen Umhang, legte den Kopf auf den kostbaren Ledersattel, den sein Milchbruder dem großen Hengst abgenommen hatte, und schloss mit einem unterdrückten Seufzer die Augen.
Sie war irgendwo dort draußen unter demselben, wolkenverhangenen Himmel wie er. Verängstigt, durchgefroren und vielleicht sogar verletzt. Himmel, wie hatte es nur dazu kommen können? Warum hatte er nicht besser auf sie aufgepasst? Wieso hatte er nicht gleich begriffen, wie unendlich kostbar sie seinem Herzen war?
14. Kapitel
»Wach auf, Mädchen! Es dämmert schon, wir müssen weiter!«
Roselynne spürte eine sachte Berührung ihrer Schulter und schlug sofort die Augen auf. Sie blickte geradewegs in das bärtige Gesicht des Grafen von Duncan und ertappte ihn mit einem Ausdruck
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