Herz im Spiel
„In diesem Falle dachte ich … das heißt, ich habe überlegt, ob Sie mich vielleicht begleiten möchten?“
„Auf Ihren Spaziergang?“ Sowohl die Einladung als auch die Freude, die sie ihm bereitete, erstaunten ihn. „Heute Morgen? Ja, natürlich, ich glaube, dazu hätte ich große Lust.“
„Lassen Sie mich nur mein Schultertuch holen“, sagte Marianne eilig, um keinem von ihnen die Möglichkeit zu geben, noch einmal über den Vorschlag nachzudenken. Sie stand auf und wandte sich vom Tisch ab, doch bevor sie ging, warf sie noch einen Blick zurück zu ihm. „Und meinen Sonnenschirm.“
Wenig später traten sie gemeinsam durch das Portal und folgten dem Fußweg über die Wiese und durch die Gärten. Einen Augenblick lang gingen sie wortlos nebeneinander her, und Desmond fürchtete schon, das Schweigen werde ihren ganzen kurzen Spaziergang über andauern.
„Was sind das für Blumen?“, erkundigte Marianne sich, noch während er sich den Kopf nach einem möglichen Gesprächsthema zermarterte.
Desmond blickte in die Richtung, in die sie wies. „Kamille und Orchideen“, erklärte er.
„Wachsen sie hier wild?“
„So wild, wie man es ihnen gestattet. Mrs River behält sie gut im Auge“, sagte er. Er war stehen geblieben, als sie nach den Blumen gefragt hatte, und betrachtete die Beete jetzt aufmerksam.
„Ist Rickers auch Ihr Gärtner?“, wollte Marianne wissen.
„Rickers und James erledigen einen Teil der Gartenarbeit für mich. Aber ich beschäftige niemand, den Sie einen Gärtner nennen würden“, antwortete Desmond.
„Wer hat dann diesen Park angepflanzt? Wer unterhält ihn?“, verlangte sie zu wissen.
„Park und Gärten von Kingsbrook wurden von Generationen längst verblichener Chadburns entworfen und bepflanzt. Als die Bedeutung des Gutes abnahm, ließ man auch das Gelände verwildern. Mein Großvater hat die Gärten und Wiesen wieder gepflegt, soweit er dazu in der Lage war. Ich muss gestehen, dass in den letzten Monaten, in denen ich Gelegenheit hatte, mehr Zeit hier zu verbringen, der Park von Kingsbrook so etwas wie ein persönliches Steckenpferd für mich geworden ist. Wie der damalige Landschaftsgärtner das Gelände gestaltet hat, gefiel mir sehr, und ich habe versucht, seinem Beispiel zu folgen“, erklärte Desmond bescheiden.
„Ich verstehe“, sagte Marianne und betrachtete jetzt die Umgebung mit bewundernden Blicken, während sie ihren Spaziergang fortsetzten.
Marianne stellte weitere Fragen. Sie wollte wissen, was für ein Baum dies war, welches Tier diesen Ruf ausstieß oder jene Spuren hinterließ. Sie erkundigte sich nach der Wachstumsperiode in diesem Teil des Landes. Sie verriet ihm, dass sie Bartnelken liebte, und fragte, warum diese Pflanzen in seinem Park nicht wuchsen.
„Sie sind zu gewöhnlich“, meinte Desmond.
„Es sind wunderschöne Blumen mit einem köstlichen Duft. Wie können sie gewöhnlich sein?“
Darauf wusste er nichts mehr zu antworten.
Die Sonne brannte heißer herab, und die Insekten wurden lästiger, doch keiner der beiden schlug vor, den Spaziergang zu beenden und nach drinnen zu gehen, jeder wieder zurück in seine Einsamkeit. Erst als Mrs River an den Glastüren des Salons erschien und sie zum Mittagessen rief, kehrten sie ins Gutshaus zurück.
Nach dem Essen sahen sie sich für den Rest des Tages nicht mehr. An diesem Abend hörte Marianne, Mr Desmond sei bei einigen Freunden aus London zum Dinner eingeladen.
Auch am nächsten Morgen sah sie ihn nicht. Man hatte getrunken und Karten gespielt, und Mr Desmond hatte eine beträchtliche Geldsumme verloren. Zum Frühstück kam er nicht herunter, und beim Lunch äußerte er nur wenige verdrießliche Worte.
Aber dennoch begann das Eis zwischen ihnen ganz allmählich zu schmelzen. Es wurde ihnen zur Gewohnheit, nach dem Frühstück in den Park zu gehen. Sie aßen gemeinsam zu Mittag. Manchmal saßen sie nach dem Essen zusammen und setzten ihre Gespräche fort.
Desmond erzählte Marianne von seiner Kindheit und fühlte sich in ihrer Gesellschaft äußerst entspannt. Er erwähnte, dass er Süßkirschen liebte. Allerdings bevorzuge er sie süßer, als sie hier zu finden seien. Aus seinen beiläufigen Bemerkungen schloss sie, dass er an zahlreichen Orten Kirschen gekostet hatte und nach vielen Vergleichen zu seinem sorgfältig abgewogenen Urteil gelangt war.
Sie erzählte ihm von der Akademie, von Judith und Sylvia und einer neuen Schülerin, Myrtle Thane. Sie sprach von ihrer Freundin
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