Herz in Gefahr
Augenblick so schuldig aus, als ob sie den Nachmittag in den Armen ihres Liebhabers verbracht hätte. Aber das hielt Truscott für unwahrscheinlich. Judith war zu sehr Dame, um dem Burschen Freiheiten zu erlauben. Und in jedem Fall bezweifelte er, dass sie eine Vorstellung von den Leidenschaften hatte, die ihm selbst zur sündigen Gewohnheit geworden waren. Kalt wie Eis, dachte er hämisch, aber ich werde sie zum Schmelzen bringen.
Eine Sekunde lang achtete er nicht auf seinen Gesichtsausdruck und spürte Dans Blick auf sich. Als er aufsah, fand er sich von jenen klaren blauen Augen durchbohrend angestarrt und geriet so aus der Fassung, dass er sich hastig erhob.
“Mylord, Sie sind äußerst gütig gewesen.” Er verbeugte sich knapp vor Sebastian. “Werden Sie mir vergeben, wenn ich meine kleine Judith zu ihrer Mama zurückbringe? Zu dieser Zeit benötigt Mrs Aveton ihre Hilfe.” Er konnte sich einen letzten Seitenhieb nicht verkneifen. “Hochzeitsvorbereitungen, Sie verstehen?” Er spürte, wie Dan zusammenzuckte, und war zufrieden.
Er half Judith in die Kutsche, die die Wentworths ihnen zur Verfügung stellten, und winkte seinen Gastgebern leutselig zu.
“Meine Liebe, ich kann mich nicht erinnern, einen angenehmeren Nachmittag verbracht zu haben. Ihre Freunde sind entzückend.”
“Sir, ich hoffe, Sie waren nicht entsetzt über meine kleine Patentochter?”
“Die kleine Kate? Gütiger Himmel, nein! Ich gestehe allerdings, dass ich überrascht war, zu sehen, welche Freiheiten ihr zugebilligt werden.”
Er bemerkte sofort Judiths leichtes Stirnrunzeln. “Mr Truscott, sie ist nur ein Kind …”
“Aber natürlich, meine Liebe. Ich meinte nur, dass es nicht üblich ist, um diese Tagesstunde kleine Kinder in der Gesellschaft Erwachsener vorzufinden. Doch vielleicht sind das die neuesten Vorstellungen von Erziehung. Ich finde, der Nachwuchs sollte nur zu einer bestimmten Zeit jeden Tag vom Kindermädchen vor die Eltern gebracht werden, zu ihrer Züchtigung und Maßregelung zugleich.”
Judith schwieg. Truscott wusste, dass er zu viel gesagt hatte. Er war unvorsichtig genug gewesen, die eiserne Faust im Samthandschuh sehen zu lassen. Sofort beeilte er sich, sie zu beruhigen.
“Aber das galt für die schlechte alte Zeit”, sagte er fröhlich. “Nun müssen wir mit dem Fortschritt gehen. Ich kann Ihren Freunden als Eltern nichts vorwerfen. Was für eine glückliche Familie sie doch sind!”
Später am selben Abend begaben sich Elizabeth und Peregrine auf einen Ball, zu dem Prudence sie nicht begleitete, da der Arzt ihr Ruhe verschrieben hatte. Und Sebastian zog es vor, seiner Frau Gesellschaft zu leisten.
Nach einer Weile trennte Elizabeth sich von der Seite ihres Gemahls und machte sich auf die Suche nach dessen beeindruckendem ältesten Bruder.
Der Earl of Brandon begrüßte sie mit einer Zuneigung, die er nur für sie an den Tag legte. Elizabeth hatte einen festen Platz in seinem Herzen inne, seit sie sie vor einigen Jahren fast für immer verloren hätten.
“Nun, Puss?”, sagte er freundlich. “Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass du noch schöner werden könntest, aber du hast es dennoch geschafft.”
Elizabeth wischte das Kompliment beiseite und kam sofort zur Sache. “Frederick, schenkst du mir einen Augenblick für ein persönliches Gespräch?”
“Selbstverständlich, meine Liebe.” Er führte sie in ein kleines Vorzimmer. “Was kann ich für dich tun?”
“Es ist nicht direkt für mich”, sagte sie schnell. “Du erinnerst dich doch an Judith Aveton?”
“In der Tat. Ein ruhiges Mädchen mit einer wunderschönen Stimme. Ganz im Gegensatz zu jener andern Aveton-Kreatur, die mein Heim nie zu verlassen scheint.”
“Genau! Frederick, wir befürchten, dass sie in Schwierigkeiten ist. Du hast von ihrer Verlobung gehört?”
“Man hat mich darauf aufmerksam gemacht”, erwiderte er trocken. “Was beunruhigt dich daran?”
“Es ist dieser Mann, dieser sogenannte Reverend Truscott.”
“Der Priester? Ich weiß nichts Nachteiliges über ihn.”
“Wie solltest du auch”, sagte sie verbittert. “Er besitzt die Schläue des Teufels, für den ich ihn halte.”
“Das sind harte Worte, meine Liebe. Hast du irgendeinen Beweis?”
Elizabeth zögerte. Der Earl war immer ihr Freund gewesen, jetzt musste sie ihm vertrauen. “Ich kann es Perry nicht sagen”, flüsterte sie. “Aber dieser abscheuliche Mensch hat sich mir unziemlich genähert.”
“Ein
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