Herz in Gefahr
lachte herzhaft auf. “Bitte, entschuldigen Sie sich doch nicht, Ma’am. Kinder sprechen immer die Wahrheit. In meinem priesterlichen Gewand muss ich der Kleinen überwältigend erscheinen.”
Elizabeth schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. Sie ließ sich nichts vormachen. Wenn es nach dem Willen Truscotts gegangen wäre, hätte Kate eine Tracht Prügel bezogen.
“Mein lieber Sir, setzen Sie sich bitte”, sagte Sebastian. “Sie müssen mir erlauben, Ihnen eine Erfrischung anzubieten. Ein Glas Wein vielleicht?”
“Ich danke Ihnen, Mylord”, erwiderte Truscott. “Ein Glas Wein wäre in der Tat sehr willkommen. Doch dann, fürchte ich, dürfen wir Ihre Gastfreundschaft nicht länger ausnutzen.”
Peregrine zog einen Stuhl heran. “Unsinn. Jetzt, da Sie hier sind, erlauben wir Ihnen nicht, zu entfliehen.”
Ein Blick seines Bruders brachte ihn zum Schweigen, aber Reverend Charles schien die Zweideutigkeit seiner Worte nicht erkannt zu haben. Er sah sich um. Vom Augenblick an, da er den Raum betreten hatte, war ihm bewusst geworden, dass sich die aristokratische Familie gegen ihn gestellt hatte. Er fragte sich, ob sie die leiseste Ahnung davon hatten, wie sehr er sie und ihresgleichen verabscheute. Wie sehr er ihnen jenes angeborene Selbstbewusstsein und die ruhige Überzeugung ihnen zustehenden Respekts missgönnte.
Was gab ihnen das Recht, sich selbst allen anderen überlegen zu fühlen? Seiner Erfahrung nach führten die meisten Mitglieder des
ton
ein Leben des Leichtsinns und der Verschwendung, begünstigt durch ihren Reichtum und ihre Stellung. Hätte irgendeiner von ihnen erreicht, was er erreicht hatte? Er hatte sich aus dem Schmutz der Gosse emporgekämpft zu einer Stellung, in der er mit den führenden Personen der vornehmen Gesellschaft in engem Kontakt stand. Hätte er auch nur halb so viele Vorteile besessen wie sie, hätte er dazu nicht so lange gebraucht.
Neid wallte in ihm auf, als er die Wentworth-Brüder betrachtete und ihm der perfekte Sitz ihrer Kleidung und der modische Schnitt ihres Haars auffiel. Sie schienen die Pracht ihrer Umgebung nicht einmal zu bemerken.
Er jedoch tat es. Er hatte noch nie einen vornehmeren Raum betreten. Das Haus in Seven Dials, auf das er bislang so stolz gewesen war, erschien ihm im Vergleich billig und geschmacklos. Doch das wird sich ändern, gelobte er insgeheim, sobald ich im Besitz von Judiths Vermögen bin.
Er lehnte sich zurück, augenscheinlich entspannt, und nippte an seinem Wein, der ohne Zweifel von höchster Güte war.
Sebastian nahm auf einem Stuhl neben ihm Platz. “Wir sind ganz gespannt darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr Truscott”, sagte er liebenswürdig. “Ihnen eilt ein Ruf voraus. Sie sind wie ein strahlender Stern über dem Himmel von London aufgegangen.”
“Und so unvermittelt”, warf Peregrine ein. “Bei Ihren Talenten ist es verwunderlich, dass Sie erst seit einem Jahr in aller Munde sind.”
Der Priester neigte den Kopf, um sich für das Kompliment zu bedanken, aber er war versucht, laut aufzulachen. Das war also ihr Spielchen? Wussten sie nicht, dass sie sich auf einen Kampf mit einem Meisterfechter eingelassen hatten?
“Meine frühen Jahre verbrachte ich unter den Heiden”, erwiderte er. “Ach, es war nur meine angeschlagene Gesundheit, die mich zwang, nach England zurückzukehren.”
Und daraufhin begann er in eleganten Formulierungen über die fernen Länder zu sprechen, die er angeblich besucht hatte. Nicht umsonst hatte er sich lange darin geübt, in jeder Einzelheit exakt und glaubwürdig zu klingen. Er wandte sich an alle mit der gleichen Aufmerksamkeit, vermied es jedoch, den Mann anzusehen, der so dicht neben Judith saß. Es bestand auch keine Notwendigkeit. Er hatte mit einem Blick jedes Detail aufgenommen.
Seine Erheiterung vertiefte sich. Wie ähnlich es dem dummen Mädchen doch sah, ihr Herz einem so unwichtigen Menschen zu schenken. Und dass sie es ihm geschenkt hatte, erkannte er vom ersten Augenblick an.
Der junge Bursche war ein Dummkopf. Er hatte während der ganzen Zeit kein einziges Wort geäußert. Zugegeben, er sah recht gut aus auf eine frische, naive Art, aber dieser glühend rote Schopf war eine Beleidigung für jeden Mann von Geschmack. Also hatte Mrs Aveton mit ihrem Verdacht recht behalten. Sobald er ihr Billett erhalten hatte, war er aufgebrochen, um sich selbst zu vergewissern.
Nun, sie passten bestens zusammen. Beide waren charakterlos und schwach. Judith sah in diesem
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