Herz nach Maß (German Edition)
Eric die Befriedigung von irgendetwas anderem als einem aufrechten Rücken und einem zielgerichteten Schritt zu geben. Oben ging er als Erstes pinkeln und drehte dann das Wasser im Waschbecken auf. Er hielt den Kopf unter den Wasserhahn und ließ sich von dem kalten Wasser gründlicher aufwecken.
Himmel, hatte er wirklich die ganze Flasche Schnaps gesoffen? Rutschte er wieder dahin ab, wo er die ersten paar Trauermonate nach Emmas Tod gewesen war? Worüber trauerte er jetzt? Dass Eric seine Unschuld verloren hatte? Oder über den Verlust seiner eigenen?
Offensichtlich hatte Eric Jason über alle schmutzigen Details dessen, was er am Abend zuvor beobachtet hatte, informiert. Jason, der zwei Stunden weiter nördlich im Umland von New York lebte, war Single und Wissenschaftler bei einem Pharmakonzern.
Jack konnte sich Erics aufgebrachten, ungestümen Anruf in der vorherigen Nacht nur vorstellen: »Jason, Dad ist eine Schwuchtel. Eine dreckige, perverse Schwuchtel, die Stricher anheuert und sie für Sex ins Haus holt.«
Die Erkenntnis, dass sein jüngster Sohn so bigott war, machte Jack traurig. Er und Emma hatten ihre Kinder in dem Bewusstsein erzogen, dass diese die Unterschiedlichkeit ihrer Mitmenschen nicht nur tolerierten, sondern akzeptierten. Er hatte geglaubt, dass sie einen ziemlich anständigen Job gemacht hatten, aber offensichtlich hatte er sich da geirrt.
Allerdings wusste er auch, dass das nicht unbedingt fair war. Eric stand immer noch unter Schock. Selbst wenn er theoretisch die Andersartigkeit anderer Menschen tolerierte, war es eine ganz andere Sache, seinen eigenen Vater vor einem anderen Mann knien zu sehen, dessen Sperma in seinem Gesicht klebte.
Seufzend stellte Jack das Wasser ab und griff nach einem Handtuch. Er schob das Unausweichliche nur hinaus. Obwohl er nicht vorhatte, Erics Verhalten weiter zu dulden, schuldete er seinen Jungs zumindest eine Erklärung.
In der Küche begrüßte Jack der Geruch frisch gebrühten Kaffees wie ein alter Freund. Dankbar nahm er die Tasse entgegen, die Jason ihm eingeschenkt hatte.
»Willst du vielleicht ein paar Eier oder so?«, fragte Jason. »Oder ich könnte Pancakes machen.« Er verhielt sich besorgt, als ob sein Vater krank gewesen wäre oder einen Verlust erlitten hätte. Eric hingegen blickte finster drein, die Arme vor der Brust verschränkt, als wäre er ein gestrenger Richter.
»Nein, danke, Jason. Im Brotkasten ist Brot. Vielleicht eine Scheibe Toast, wenn's dir nichts ausmacht.«
Jason nickte und steuerte den alten, weißen Emaille-Brotkasten an, den Jack und er vor vielleicht fünfzehn Jahren für einen Dollar auf einem Flohmarkt erstanden hatten. In einem Anflug von Nostalgie erinnerte sich Jack daran, wie nah er und Jason sich einmal gewesen waren. Wie er selbst mochte es Jason, auf Flohmärkten durch fremde Besitztümer zu wühlen und nach Dingen und ungewöhnlichen Gegenständen Ausschau zu halten, die andere irrtümlicherweise als Müll abgeschrieben hatten.
Jetzt fragte er sich traurig, was Jason über ihn dachte. War er genauso desillusioniert, wie es Eric ganz offenkundig war? Genauso entsetzt und angewidert wie sein jüngerer Bruder über das, was ihr Vater in Wirklichkeit war? Würden sie die angenehme Unbeschwertheit verlieren, die sie immer miteinander geteilt hatten? Der Gedanke brach ihm fast das Herz. Eric hatte er niemals so nahegestanden, obwohl er versucht hatte, seine Söhne gleich zu behandeln. Jetzt könnte der Graben zwischen ihnen vielleicht nie wieder überwunden werden.
Jason brachte den Toast zum Tisch, zusammen mit Butter und Marmelade.
»Danke.« Jack versuchte, den scharfen Schmerz, der ihn wie ein Messer hinter den Augen attackierte, zu ignorieren. Er nahm einen Bissen von seinem Toast, aber sein Magen rebellierte, sodass er ihn wieder weglegte. Er trank seinen Kaffee und dachte daran, wie gerne er jetzt eine heiße Dusche genommen hätte. Zuerst musste er sich jedoch mit den Jungs befassen. Besser, es hinter sich zu bringen.
»Eric.« Er wandte sich seinem jüngeren Sohn zu. »Ich nehme an, du hast Jason über deinen kleinen Besuch letzte Nacht informiert.«
»Ja.« Erics Tonfall war trotzig. »Da kannst du Gift drauf nehmen.«
»Eric ist in einen sehr privaten Moment hineingeplatzt. Ich habe ihn nicht reinkommen gehört.«
»Ich weiß, Pop.« Jasons Gesichtsausdruck war mitfühlend. »Ich hab Eric gesagt, dass er dir eine Entschuldigung schuldet.«
»Was absolut lächerlich ist«, rief Eric. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher