Herz ueber Bord
dass sie vermutete, Stefan Troller habe herausgefunden, dass Mum bei dieser Reise für sie einsprang . Vermutlich hat er mit jemandem den Dienst getauscht. Wenn stimmt, was ich damals und heute vermute, dann kann ich mir vorstellen, dass er dich kennenlernen will, Katja. Du bist bald volljährig und du hast mich um Rat gebeten und hier ist er : Frag deine Mutter, was damals wirklich geschehen ist. Sag ihr, ich hätte gesagt, es sei höchste Zeit dazu.
Vera riet mir, offen mit Mum zu sprechen. Na toll! Als wenn ich das nicht oft genug versucht hätte. Jetzt war ich so schlau wie zuvor. Ich las die Mail ein paar Mal durch. Es war wie ein Sog. Ich las sie und las sie ein weiteres Mal und dann noch einmal, und dann begriff ich, dass ich die ganze Zeit auf der langen Leitung gestanden hatte. Die Wahrheit sprang mir nach dem fünften Lesen geradezu ins Gesicht.
Es hatte nicht zwei, sondern bloà eine Schwangerschaft gegeben. Mum war nicht vor mir, sondern mit mir schwanger gewesen. Was bedeutete ⦠ich zögerte, weil ich mich kaum traute, den Gedanken zuzulassen ⦠dass ich vermutlich die Tochter von Stefan Troller war. Oh mein Gott!!! Ich lieà meinen Kopf auf die Tastatur fallen. Auf dem Bildschirm des PCs raste ein S über das virtuelle Blatt Papier.
»ScheiÃe«, fluchte ich laut. »ScheiÃe, ScheiÃe, ScheiÃe.«
Mum hatte es die ganzen Jahre geschafft, Stefan Troller auf Abstand zu halten. Doch nun rückte der Gedanke, dass ich seine Tochter sein könnte, zumindest in die Nähe des Möglichen. Und diese Chance hatte er ergreifen wollen, als er Mum zu Beginn unserer Reise lästige Fragen gestellt hatte. Ich spürte, wie sich die Härchen auf meinen Armen aufstellten. Was passierte mit meinem Leben? Verlor ich gerade meinen Vater, den einzigen, den ich je gehabt hatte und der immer für mich da gewesen war? Paps, den ich irrsinnig lieb hatte?? Verlor ich ihn wegen jemandem, den ich nicht kannte und der all die Jahre nie nach mir gefragt hatte?
Ich brauchte eine Weile, bis ich Inkas Mails öffnen konnte. In der ersten schickte sie mir ein Foto vom Ostereierfärben, und in der zweiten teilte sie mir mit, dass sie mit Sven gesprochen hatte und âºder Fallâ¹, so nannte sie es nun nüchtern, für sie abgeschlossen sei.
Ich versuchte, sie anzuskypen. Doch dieses Mal â ausgerechnet dieses Mal â nahm meine beste Freundin nicht ab! Also hieà es, in die Tasten hauen.
Liebe Inka , schrieb ich in meiner Antwort.
Ich hatte die Karibik erkunden und nebenher schmutziges Geschirr abservieren wollen, weil mir das lustiger vorkam, als zu Hause in Hamburg bei Schlechtwetter Ostereier zu färben. Doch nun erlebe ich hier einen Albtraum. Es gibt einen englischen Traumprinzen, der auf mich abfährt, der jedoch die eifersüchtige Ex im Gepäck hat. Und es gibt die Andeutungen von Vera, Mums Kollegin, dass Käptân Troller vielleicht mein Vater ist (!!!), was Jens, den ich immer dafür gehalten habe, in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Ich bin so unglaublich wütend und schäme mich irgendwie auch â ich habe keine Ahnung, wer ich bin, und Mum hält es offenbar nicht für nötig, mal mit mir darüber zu reden, wer eigentlich mein Vater ist. Wie soll ich Paps entgegentreten, wenn ich zurück in Hamburg bin? Weià er von meiner Geschichte? Ich meine, er ist doch nicht blöd und der Meister im Faktenzusammenzählen: Neun Monate braucht ein Kind, um im Bauch der Mutter zu wachsen. Das sind Fakten. Diese neun Monate hatte es nicht gegeben, seit Jens und Mum zusammengekommen sind. Er muss es also wissen. Und Mum? Sie predigt mir immer, dass Vertrauen und Ehrlichkeit die wichtigsten Prinzipien sind. Doch das klingt für mich inzwischen wie der blanke Hohn.
Ich versuche, dich später noch mal anzuskypen. Das hier ist nämlich erst der Anfang. Details folgen.
Es umarmt dich â deine verschreckte Katja!
An diesem Morgen hatte ich groÃe Lust, Mum meine Enttäuschung entgegenzuschleudern. Die Frage war nur: Würde sie sich mir noch anvertrauen, nachdem sie die volle Wucht meines Zorns zu spüren bekommen hatte? Wahrscheinlich nicht. Ich versuchte daher, meine Gefühle herunterzukochen, fuhr geschlagene 15 Minuten im gläsernen Aufzug auf und ab und grübelte vor mich hin. Als ich keinen Ausweg fand, wie ich Mum an diesem Morgen unter die Augen treten konnte, ohne einen Streit vom
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