Herz ueber Bord
Wort stimmt.« Ich hatte versucht, das Nötigste kurz und knapp für Inka zusammenzufassen, doch offenbar war die Informationsflut selbst für sie zu viel.
»Das ist ja eine riesige Gefühls-Baustelle. Du erlebst deinen ersten Sex, Natou erpresst dich mit Fotos und dann soll auch noch der Käptân dein Vater sein???«, zählte sie meine Erlebnisse der vergangenen Stunden auf. »Bei dir gehtâs schlimmer zu als in einer Soap! Ich verliere bald den Ãberblick.« Inka sah mich vom Bildschirm meines PCs aus an. Leider verriet ihre Miene, dass sie zurzeit genauso überfordert war wie ich. »Aber bevor wir uns an die âºAufräumarbeitenâ¹ machen, zuerst das Wichtigste: Wie war die Nacht mit Brian? Raus mit der Sprache!« Inka hatte die Hände zusammengelegt und machte âºBitte, bitteâ¹. Wie ein kleines Kind.
»Das hab ich dir doch schon erzählt«, erinnerte ich sie.
»Du hast die Auswirkungen eurer Nacht beschrieben, aber nicht die Nacht an sich. Wie hast du dich gefühlt? War es schön? Und wie sind Brians Qualitäten als Lover ?«
Typisch Inka. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und wollte jede Kleinigkeit auf dem silbernen Tablett serviert bekom men. Kurze Zusammenfassungen waren für sie wie Ostern ohne Osterei. Ich holte tief Luft und begann, etwas ausführlicher zu erzählen, wie mein erstes Mal gewesen war. Dabei hob ich vor allem den Moment hervor, als ich angefangen hatte, Brians Hemd aufzuknöpfen. Nach fünf Minuten Schwärmerei war Inka zufriedengestellt.
»Ohhh my God!!«, schrie sie. » Du hast den ersten Schritt gewagt und ihn ausgezogen. Das hatten wir doch gar nicht besprochen.«
»Ich hab nur sein Hemd aufgeknöpft«, stellte ich es richtig.
»Ja, eben! Und so was Tolles unterschlägst du mir?« Inka war in ihrem Element. »Katja- Darling «, säuselte sie. »Du bist ein Vorbild an Mut und ich bin megastolz auf dich. Brian hat jetzt sicher einen Heidenrespekt vor dir.«
»Inka, bitte. Können wir kurz über etwas anderes als Sex reden? Ich muss Natou stoppen und Mum dazu bringen, dass sie mit mir über ihre geheimnisvolle Vergangenheit spricht. Und ich hab echt gar keinen Schimmer, wie ich das machen soll.«
Es fiel Inka sichtlich schwer, von dem spannenden Brianund-Sex-Thema abzulassen. »Das mit deinem Vater ⦠also mit Jens â¦Â«, stellte sie richtig, »⦠du weiÃt, ich mag ihn megagern. Aber dass er dir jahrelang was vorgemacht hat, ist schlimm.« Sie verzog trotzig das Gesicht.
»Ja, das hätte ich ihm nie zugetraut â und Mum natürlich auch nicht«, brachte ich mit trauriger Stimme heraus. »Ich darf gar nicht dran denken, dann kommen mir die Tränen.«
»Allerdings musst du erst rauskriegen, ob Vera richtigliegt und er tatsächlich nicht dein Vater ist«, erinnerte Inka mich.
Wir grübelten eine Weile laut vor uns hin. Ãberlegten gemeinsam, was dafür sprach, dass Jens mein Vater war und was dagegen. Als ich Veras Mail gelesen hatte, war ich geschockt gewesen und hatte seltsamerweise kaum etwas empfunden. Doch nun, wo ich mich ernsthaft mit dem Thema âºVaterâ¹ auseinandersetzte, spürte ich, wie traurig mich der Gedanke machte, Jens vielleicht nicht mehr so zu sehen. Wären wir in Zukunft nur noch gute Freunde, wie es in Patchworkfamilien im besten Fall üblich war? Sollte ich davon absehen, ihn Papa oder Paps zu nennen, sondern einfach nur Jens?
»Wenn ich du wäre, würde ich dieses Vater-Ding mal kurz ruhen lassen. So schwer es auch ist«, unterbrach Inka meine Gedanken.
Ich seufzte laut, weil mir schon der Gedanke daran schwerfiel.
»Triff als Erstes Brian. Eure Liebe ist noch nicht gefestigt und sie ist kostbar. Du liebst ihn doch, oder?«
»Ja!«, warf ich ein. »Da bin ich mir sicher.«
»Wenn klar ist, dass Natou bei Brian unten durch ist und liebestechnisch wirklich alles paletti ist â¦Â«
»Hey, Inka, war redest du denn da?«, warf ich entsetzt ein. »Natou und Brian, das war einmal.«
»Ist ja gut«, Inka hob abwehrend die Hände »also, wenn das geklärt ist, nimmst du dir deine Mum vor. Quetsch sie aus wie eine reife Zitrone. Sie muss wissen, dass es dir ernst ist.«
»Ich lass eine Zitronenpresse aus der Küche mitgehen«, versuchte ich zu scherzen.
Inka lachte und kam dann noch mal auf ihr Lieblingsthema zu sprechen: Natou.
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