Herz ueber Bord
hatte, zu belohnen. Während ich auf mein Getränk wartete, sah ich mich um. Anneke und Ole hockten auf ihren Liegen, beide in Badekleidung, und Marlene und Biggi saÃen vor Eisbechern mit bunten Schirmchen. Nur von Friederike fehlte jede Spur. Vermutlich trudelte sie jeden Moment hier ein.
Doch wo waren Natou und Brian? Von ihnen war nirgends etwas zu sehen. Ich schob den Gedanken beiseite, schlürfte meinen Cocktail und spürte, wie meine Lebensgeister neu erwachten. Ich fühlte mich einigermaÃen bereit, das Mum-Troller-Problem anzugehen. Als ich ausgetrunken hatte, zahlte ich und machte mich auf den Weg zur Brücke, um dem Käptân einen Besuch abzustatten. Ich wollte ihm zunächst auf den Zahn fühlen, bevor ich mir Mum vorknöpfte.
Offenbar sah man mir meine Entschlossenheit schon von Weitem an, denn Troller zog besorgt die Augenbrauen zusammen, als er mich kommen sah.
»Die Frage, worumâs geht, kann ich mir wohl sparen«, begrüÃte er mich. Der Käptân schien nicht darüber nachzugrübeln, ob ich etwas vorhatte, sondern was .
»Ich schaffe Klarheit«, sagte ich bestimmt.
Troller sprach kurz mit dem Ersten Offizier und verlieà dann mit mir die Brücke, um das Deck anzusteuern, wo sich Mums Kabine befand.
»Vor dem Abendessen hält meine Mutter sich manchmal in ihrer Suite auf. Eine halbe Stunde Ruhe, bevor der Zirkus weitergeht, sagt sie immer.«
»Und was heiÃt das? Was machen wir hier?«
Ich blieb stehen und sah Troller ernst an. Wieder fielen mir seine Sommersprossen und das wellige Haar auf. War er wirklich mein Vater? »Hatten Sie damals eine Affäre mit meiner Mutter und haben Sie sie gleich danach sitzen lassen?«
Troller rieb sich mit der Hand übers Kinn. Eine Geste der Verlegenheit, bevor er zaghaft nickte. »Ja, hab ich«, gab er zu. »Damals war ich feige und selbstsüchtig. Ich wollte mich nicht binden.«
Ich schluckte, weil mir seine Antwort wehtat. Dass er so schonungslos offen mit mir sprach, damit hatte ich nicht gerechnet. »Ich kann mir gut vorstellen, wie Mum sich gefühlt hat«, sagte ich mit Eisesstimme. »Sicher hat sie Sie für ein Arschloch gehalten. Und tut es bis heute.« Die letzten beiden Sätze waren mir nur so rausgerutscht, aber sie taten mir nicht leid. Es war endlich Zeit für die Wahrheit.
»Vermutlich.« Trollers Kinn war vom Reiben inzwischen rot. Nach einer Weile des Schweigens wünschte ich mir, er würde irgendwas zu seiner Verteidigung vorbringen. Damals dachte ich, wir sind noch zu jung für etwas Festes. Ich wollte nichts überstürzen . Auch, um Bettina zu schützen. So was in der Art. Die Vorstellung, ein emotionales Schwein zum Vater zu haben, war schrecklich.
»Halten Sie nichts davon, sich zu verteidigen? Wieso kriegen Sie plötzlich den Mund nicht auf?« Der Ton meiner Stimme war scharf.
»Weil ich nicht lügen möchte«, sagte Troller geknickt.
»Dann sagen Sie doch die Wahrheit«, stieà ich heraus.
»Also gut«, begann er. Er holte tief Luft und wich meinem Blick nicht aus. »Ich habe mich damals schlicht und einfach in eine andere Frau verliebt«, gab er zu. »Das Ganze ging zwei Jahre später in die Brüche. Danach hatte ich wechselnde Freundinnen und war auch mal eine Zeit lang allein. Seit fünf Jahren lebe ich nun mit einer Spanierin zusammen. Wir verstehen uns gut. Sehr gut sogar.«
Ich konnte kaum glauben, dass ich endlich Antworten bekam. Solche, die nichts beschönigten. So traurig die Wahrheit klang, es erleichterte mich, sie zu hören. Nun erfuhr ich, wie es damals gewesen war. Das hatte ich mir die ganze Zeit gewünscht.
Als ich Stefan Troller fragte, ob er mit jemandem den Dienst getauscht hatte, um Mum zu begegnen, nickte er. »Ich hatte erfahren, dass Bettina für Vera einspringt. All die Jahre war es mir nicht gelungen, an sie ranzukommen. Sie hatte eine Familie. Ein Leben. Und darin hatte ich als Schatten der Vergangenheit nichts verloren. Aber jetzt â¦Â« Er sah mich eindringlich an. Abwartend. So, als müsse ich ihm die Antwort geben.
»Sie meinen, jetzt wo ich so gut wie erwachsen bin ⦠können Sie mein Leben ruhig gehörig durcheinanderwirbeln.«
Troller unterbrach mich. »Vielleicht darf ich nun endlich erfahren, was Bettina mir damals verschwiegen hat. Nicht mehr und nicht weniger.«
Die Wut und Enttäuschung, die ich
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