Herz ueber Bord
Schwung kommst.«
Am liebsten hätte ich herausgeschrien: Ich stecke mitten in der ersten groÃen Liebe fest. Allerdings mit peinlichen Begleitumständen. Vermutlich hätte mir sowieso niemand die Story geglaubt. Während der Tanzstunden wirkte Natou immer freundlich und zuvorkommend. Von Radikalität weit entfernt. Brian klatschte in die Hände, um zur zweiten Hälfte aufzurufen.
»Es geht weiter, Leute«, rief er und drehte die Musik wieder auf. Wir stellten uns in einer Reihe auf und schon begannen wir, wieder zu tanzen. Bald schien der Raum vor Energie zu vibrieren. Niemand dachte mehr an Blasen an den Fersen oder Atemprobleme. Jeder gab alles. Sogar bei mir ging es besser. Mit einem Mal konnte ich mir die Abfolge der neuen Schritte leichter merken. Während der kurzen Pause hatte ich mich gesammelt und Mut geschöpft. Ich wollte bestimmt nicht diejenige sein, die das Gelingen der bevorstehenden Aufführung gefährdete.
Als die Stunde vorbei war, trommelte Brian uns zusammen: »Die kleinen Patzer, die noch vorkommen, kriegt ihr hin«, spornte er uns an. »Unser Auftritt als Dirty Dancing -Stars kann stattfinden.« Ein leises Raunen ging mal wieder durch die Menge.
»Da bin ich mir aber noch nicht sicher, Freundchen«, rief Anneke salopp in die Menge.
»Ich schon«, behauptete Brian. »Was du machst, nenne ich fishing for compliments .« Brians Augen wanderten kurz zu mir hinüber und seine Grübelfalte machte einem Lächeln Platz.
Dann wandte er sich wieder Anneke zu. »Gerade du machst dich perfekt im Rampenlicht. Also ziehen wirâs durch, Anneke, oder nicht?«
Wo nahm er nur diese Gelassenheit her, locker mit Anneke zu diskutieren, während Natou vom Erdboden verschwunden zu sein schien? Auf Fragen diesbezüglich hatte er geantwortet, sie habe im Fitness-Center zu tun und müsse deshalb pausieren. Ich konnte nur hoffen, dass sie ihre Abwesenheit nicht dazu nutzte, eine weitere Attacke gegen uns vorzubereiten.
»Wusstest du eigentlich, dass die Brücke, über die wir gerade gehen, am Morgen aufgeklappt wurde, damit die Harmony freie Durchfahrt hatte?«
Brian und ich überquerten die Queen Emma Brücke und steuerten auf die knallbunten Häuser der Inselhauptstadt Willemstad zu, die Fröhlichkeit und Lebensfreude ausstrahlten.
»Nee, wusste ich nicht«, erwiderte ich. »Was ich allerdings weiÃ, ist, dass ich mich wahnsinnig aufs Tauchen freue. Endlich macht sich der Schnupperkurs, den ich in Hamburg besucht habe, bezahlt. Vielleicht sehen wir sogar Delfine? Es soll hier eine Menge davon geben.«
Die Vorfreude darauf, heute mit Brian in die Unterwasserwelt abzutauchen, versöhnte mich mit dem Gedanken an quälende Gespräche mit Mum und Stefan Troller, die vor mir lagen. Von den Fotos, die Natou gemacht hatte, ganz zu schweigen. Was ich jetzt brauchte, waren ein paar entspannende Erlebnisse und etwas Ablenkung. Mit dem Rest würde ich dann schon klarkommen. Wir suchten uns einen Platz in einem gut besuchten Café am Hafen, wo es vor Touristen nur so wimmelte.
»Hör mal, Katja«, begann Brian, kaum, dass wir auf zwei frei gewordenen Bistrostühlen Platz genommen hatten. »Ich möchte noch mal über unsere Pläne für heute Nachmittag mit dir reden.« Er winkte nach der Kellnerin, um unsere Bestellung aufzugeben, und legte gleichzeitig beschwichtigend seine Hand auf meinen Arm. Die Geste verhieà nichts Gutes. »Unser Tauchausflug ist, wenn ich an gestern Nacht denke, keine so gute Idee.«
»Glaubst du, Natou ertränkt uns, wenn sie uns irgendwo entdeckt?« Mir entkam ein unnatürliches Kichern, das sich bestimmt kindisch anhörte.
Brian ging nicht auf meinen Scherz ein, denn die Kellnerin trat an unseren Tisch und bedachte uns mit einem erwartungsvollen Blick. »Was hältst du von Gemüseroulade mit Bananenblättern und Orangensaft?«, schlug er vor.
»Keine Ahnung, wie Bananenblätter schmecken. Aber von mir aus können wirâs bestellen«, antwortete ich. Enzo würde ich die Bananenblätter verschweigen müssen. Denn wenn er davon erführe, würde er mich garantiert vorsorglich zum Bordarzt schicken. Als die Kellnerin unsere Bestellung notiert hatte, nahm ich den Faden wieder auf. »Ich hab übrigens euer Gespräch heute früh mit angehört.« Brian sah mich überrascht an, als ich unbeirrt fortfuhr. »Ich hab
Weitere Kostenlose Bücher