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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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fragt Anoki.
    Heimweh? Nach der Hölle? »Nee. Nie«, sage ich überzeugt.
    Er lässt wieder seinen Blick über die Dächer Neuruppins schweifen, und plötzlich wird mir klar, dass er diesen Ort auf seine Tauglichkeit für die eigene Zukunft überprüft. Wenn meine Eltern ihn bei sich aufnehmen – und daran kann schon jetzt kein Zweifel mehr sein –, wird das hier bald seine neue Heimat sein. »Aber so als Kind und Jugendlicher fand ich es hier schon ziemlich geil«, sage ich, obwohl das eigentlich meinen Interessen widerspricht. »Der See so direkt vor der Haustür … im Sommer waren wir fast jeden Tag schwimmen. Man kann bowlen, ins Kino gehen, zum Kletterturm, es gibt eine Skaterbahn, jede Menge Sportvereine … Eigentlich alles da, was man so braucht, außer vielleicht so richtig abgefahrene Klamottenläden, dafür muss man dann doch nach Berlin.«
    Anoki hat mir sehr aufmerksam zugehört. »Und die Leute? Wie sind die so?«, fragt er.
    »Ich hatte da nie Probleme«, sage ich, obwohl ich bezweifle, dass Anoki dieselbe Erfahrung machen wird. Na ja, ich muss ihm ja nicht direkt Angst einjagen. Er wird es ganz bestimmt schwerer haben als ich, schließlich ist er nicht hier geboren und aufgewachsen, das ist ein entscheidender Nachteil. Aber wenn er sich Mühe gibt – wer weiß, vielleicht werden die Einheimischen seine Enkel oder Urenkel mal als ihresgleichen betrachten. Nachdenklich presst er seinen Plüschpanther an sich, während die Gondel zum letzten Mal abwärts gleitet.

 
 
7
    Der Abend verläuft ähnlich wie der vorherige, nur dass wir diesmal den Fernseher einschalten. Ab und zu beobachte ich Anoki, der – seinen Panther fest umklammert – im Sessel herumlümmelt. Ich trinke ein paar Flaschen Bier; er hatte die Wahl zwischen Fanta, Sprite und Schweppes und hat sich zielstrebig für Letzteres entschieden, vermutlich weil es deutlich am teuersten ist. Wieder verziehen wir uns so gegen halb elf in unsere Zimmer. Nur wenig später klopft es leise an meine Tür.
    »Hast du noch was von dem Bier übrig gelassen?«, fragt Anoki. Er setzt sich unaufgefordert an meinen Schreibtisch, stellt den Aschenbecher dort ab und zündet sich eine Zigarette an. »Holst du mir ’n paar Flaschen rauf?«
    Nachdem ich meine Fassung wiedergewonnen habe, sage ich: »Erstens. Mach die Zigarette aus. Zweitens. Alkohol erst ab achtzehn. Drittens. Gute Nacht.«
    Er bleibt einfach sitzen und grinst mich liebenswürdig an, so dass ich gezwungen bin aufzustehen, ihm die Zigarette aus der Hand zu nehmen und sie auszudrücken. Dann schleiche ich mich runter und hole zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank, von denen ich ihm eine hinstelle, während ich mich mit der anderen aufs Bett setze. Inzwischen hat er sich eine weitere Zigarette angezündet.
    »Mit dieser Masche wirst du bei meinen Eltern nicht weit kommen«, sage ich. »Sie haben die Vorstellung, dass ein Kind bescheiden, zuvorkommend, höflich und gut erzogen sein sollte.«
    Anoki guckt demonstrativ in jede Ecke meines Zimmers. »Und? Siehst du die hier irgendwo?«
    Verdammt, statt ihn zu verprügeln, muss ich lachen. »Ich könnte ihnen ja einen genauen Bericht abliefern«, sage ich.
    »Klar. Wirst du aber nicht machen«, entscheidet er selbstbewusst. Nach einer Pause fragt er: »Das mit deinem Bruder, wie lange ist das her?«
»Ziemlich genau fünf Jahre«, antworte ich. »Er war genauso alt wie du jetzt.«
    Das lässt Anoki sich eine Weile durch den Kopf gehen, dann sagt er: »Das heißt, ich bin hier der Ersatzmann?«
    Ja, so könnte man es wohl nennen. Allerdings fühle ich mich verpflichtet, meine Eltern in Schutz zu nehmen. »Meine Mutter leidet darunter, dass das Haus leer ist«, erkläre ich mit einem Anflug von Strenge. »Sie ist noch ziemlich jung. Sie wollte immer Kinder haben, am liebsten hätte sie vier oder fünf gehabt. Und nun ist gar keiner mehr da.«
    Anoki nimmt einen geübten Schluck Bier und fragt dann: »Wie hat der denn ausgesehen? So ähnlich wie ich?«
    »Nee, überhaupt nicht«, sage ich. Was bildet der sich ein? Dass meine Eltern sich ein Pflegekind nach der Optik aussuchen? »Benni hat immer viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt«, füge ich bissig hinzu. Anoki lacht nur. Es scheint verflixt schwierig zu sein, ihn zu beleidigen. Aber keine Angst, ich bleibe am Ball. Irgendwann schaff ich’s. Ich nehme das gerahmte Bild von meinem Nachttisch und halte es ihm hin. »Hier. Hätte dir eigentlich schon auffallen müssen. Im ganzen Haus hängen

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