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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Navigationsgerät. Er sitzt auf der Rückenlehne einer Bank, schmeißt Steine ins Wasser und macht ein grimmiges Gesicht.
    Ich setze mich neben ihn. Nach einem Augenblick gemeinsamen Schweigens sagt er: »Blöde Fotze.«
    Ich zucke zusammen und kann nicht verhindern, dass ich antworte: »Hey, hör mal …!«
    Da wird er erst richtig wütend.
    »Was denn? Ist sie doch! ’ne total blöde Fotze!« Es fühlt sich an wie Zahnschmerzen, jemanden – sogar Anoki – so über meine Mutter reden zu hören, aber ich sehe ein, dass es keinen Sinn hat, jetzt auf Prinzipien herumzureiten.
    »›Das war mir alles zu viel‹«, äfft er sie mit hoher Stimme nach. »Zu viel! Ich bin zu viel, ja? Bescheuerte Kuh! Hat die ja keiner gebeten, mich herzuholen!« Seine Augen sind tiefschwarz vor Verletztheit.
    »Es geht doch gar nicht so sehr um dich«, versuche ich zu schlichten. »Mehr um Benjamin. Weil sie noch nicht über ihn hinweg ist.«
    Anoki schleudert einen weiteren Stein ins Wasser und springt dann von der Bank, um neue Steine aufzulesen. »Das hätt die sich vorher überlegen müssen«, erwidert er kompromisslos und unversöhnlich.
    Ich seufze, denn er hat recht und ich die Schuld.
    »Lass uns zurückgehen«, sage ich.
    »Vergiss es«, weigert sich Anoki kategorisch. »Erst wenn die Fotze weg ist.«
    Meine Geduld bezüglich seines verbalen Umgangs mit meiner Mutter nähert sich ihrem Ende, und außerdem habe ich heute noch keine meiner Kapseln nehmen können, obwohl ich es dringend gebraucht hätte. »Hör mal zu, du Gossenschlamm, nenn meine Mutter nicht dauernd Fotze, okay? Das ist meine Mutter!«, fahre ich ihn an.
    Anoki legt den Kopf in den Nacken und blinzelt mich spöttisch an. »Na und? Ist das ’ne besondere Auszeichnung oder so?«
    Das gibt’s doch nicht, jetzt beleidigt er auch noch mich! Ich verpasse ihm spontan eine heftige Ohrfeige, die ihn beinahe zu Fall bringt. Im selben Moment tut es mir leid, und mir fällt wieder ein, dass ich hergekommen bin, um ihn zu trösten. Stattdessen guckt er mich jetzt fassungslos an und hält sich die Wange.
    »Entschuldige«, sage ich hastig. »Das war … so ein Reflex. Ich wollte nicht so feste … Tut mir leid.«
    Er wendet sich ruckartig ab und macht Anstalten, im Wald zu verschwinden, aber diesmal lasse ich ihn nicht einfach davonlaufen, sondern ich bin schneller, packe ihn an der Kapuze seines T-Shirts und halte ihn energisch fest. Es gibt ein kleines Gerangel, dann erlahmt sein Widerstand. Kluger Junge. Schließlich kann er es sich nicht leisten, mich auch noch zu hassen – wen hat er denn dann noch? Ich nutze die Gelegenheit, ihn in den Arm zu nehmen, und er macht bereitwillig davon Gebrauch.
    »Ich hab dich lieb«, sage ich versöhnlich. »Vergiss meine Mutter und den ganzen Scheiß. Ich – hab – dich – lieb. Das muss genügen.«
    Wir kehren gemeinsam nach Hause zurück. Anoki möchte, dass ich erst mal die Lage peile, während er sich ohne Umweg in sein Zimmer verdrückt.
    Nun gut: sie ist nach wie vor hoffnungslos. Meine Mutter streitet mit meinem Vater herum, Judith bemüht sich zu schlichten, und sogar Una scheint allmählich etwas besorgt. Dafür ist sie die Einzige, die fragt: »Hast du Anoki gefunden?«
    Ich nicke ihr beruhigend zu und deute mit dem Finger nach oben, während ich dem Gezanke meiner Eltern lausche. Da geht’s richtig zur Sache. Mein Vater, lebendiger als noch vor ein paar Tagen, entledigt sich seiner gesammelten Frustrationen: »Das kannst du doch gar nicht beurteilen! Du kommst hier rein, nachdem du dich wochenlang nicht hast blicken lassen, und meinst, alles müsste nach deiner Pfeife tanzen! Aber so ist das eben nicht mehr, wir mussten ja bisher auch ohne dich klarkommen! Und das ging ganz gut!«
    Na, da übertreibt er aber ein bisschen.
    Meine Mutter keift zurück: »Ach wirklich? Du meinst also, du hast diesen Bengel im Griff oder was? Na, herzlichen Glückwunsch! Auf mich wirkt das mehr so, als wenn er jetzt total abgerutscht ist! Das hab ich ja wohl nicht nötig, mich mit solchen Ausdrücken beschimpfen zu lassen!«
    Judith wendet ein: »Das hat er doch nicht so gemeint. Er war bloß furchtbar durcheinander«, aber meine Mutter schneidet ihr das Wort ab: »Und ob der das meint! Der meint jedes einzelne Wort genau so, wie er es sagt!« Dann entdeckt sie mich, wie ich da in der Wohnzimmertür stehe, und ich kann genau sehen, wie froh sie ist, ein noch dankbareres Opfer gefunden zu haben.
    »Das war ja klar, dass du ihm wieder

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