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Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)

Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)

Titel: Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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Bewusstsein, der Schmerz ebbte sogar wieder ab.
    Zum ersten Mal seit seinem Erwachen aus der Ohnmacht spürte er seinen Körper wieder bewusst. Die Angst und das Adrenalin hatten jegliche andere Pein überlagert. Das Adrenalin! Was würde es seinem Herzen antun? Würde der kranke Muskel dieser Belastung standhalten? In diesem Moment wurde ihm auch das quälende Pochen in seinen Schläfen bewusst.
    Er versuchte, so gut es eben ging, klar und rational nachzudenken: Sollte er sich aus seinem Schlupfwinkel wagen? Er wusste nicht, wie lange Roger Burlitz brauchen würde, bis ihm klar war, dass er sich versteckt hatte, und der junge Mann zurückkehren würde. Vielleicht würde er genug Zeit haben, nach draußen zu gelangen und von dort aus … In diesem Augenblick tauchte das Gesicht des jungen Mannes am Rande des Podests auf. Der Kommissar erstarrte, als er die nur vom grünen Notlicht erhellte Fratze sah, den flackernden Blick, die langen Haare, die wirr am schweißnassen Schädel klebten.
    Aus!,
schoss es ihm durch den Kopf,
jetzt ist es aus!
Dann erkannte er, dass Burlitz ihn noch gar nicht entdeckt hatte, seine Augen hatten sich noch nicht an das Dunkel hier unten gewöhnt. Kluftinger fackelte nicht lange und kroch von ihm weg, als sein Verfolger einen dumpfen Schrei ausstieß. Jetzt hatte er ihn offenbar gesehen. Kluftinger riskierte einen schnellen Blick über die Schulter. Burlitz krabbelte in seine Richtung, er musste also weiter und darauf hoffen, dass irgendwo eine Öffnung war, durch die er schlüpfen konnte. Tatsächlich tat sich wenige Meter vor ihm eine Lücke auf, durch die er gerade so passte. Er sprang auf die Beine – und sah sich plötzlich einem skelettierten Schädel gegenüber, der ihn aus toten Augen anstierte. Jetzt wusste er, wo er war, denn er hatte diese furchteinflößende Gestalt schon einmal gesehen: bei seiner Fahrt durch die Geisterbahn mit Doktor Langhammer.
    Er versuchte, sich zu erinnern, welche Richtung schneller zum Ausgang führte, dann rannte er wieder los, allerdings in gebückter Haltung, denn wenn er sich aufzurichten versuchte, loderte der Schmerz in seiner Brust derart heftig, dass er ihn sofort wieder in die Horizontale zwang. Wie der Glöckner von Notre-Dame humpelte er durch die düsteren Gänge, als wäre er selbst eine der furchterregenden Attraktionen.
    Er musste schnellstens seine Fesseln loswerden, sonst würde er ebenso als Leiche enden wie der Vampir da vor ihm, der mit einem Pflock im Herzen in einem Sarg lag. Ruckartig blieb Kluftinger stehen. Sollte er wirklich …? Andererseits: Hatte er eine Wahl? Er stieg über eine kleine Absperrung, krabbelte in den Sarg, legte sich flach auf die Figur, die daraufhin ein unheilvolles Ächzen von sich gab, und versuchte, mit den Beinen den Deckel zuzuziehen, was ihm schließlich gelang.
    Völlig erschöpft und mit rasenden Brustschmerzen ließ er sich nach hinten sinken: ein schwitzender, gequälter, keuchender Körper, mehr war von dem einstmals kraftstrotzenden Mannsbild Kluftinger nicht übrig. Jetzt war er also doch schon früher als geplant in die Kiste gestiegen. Der Gedanke entlockte ihm ein bitteres, lautloses Lachen. Doch gleichzeitig machte sich ein anderes Gefühl in ihm breit: Panik. Er lag in einem Sarg! Das hier war seine persönliche Hölle! Es kostete ihn den ganzen Rest Selbstbeherrschung, nicht sofort kopflos aus dem Sarg zu springen.
    Zuerst musste er seine Fesseln auftrennen. Und er wusste auch schon, wie: Er robbte in der erstaunlich geräumigen Totenkiste herum, bis seine Hände auf Höhe des Pflocks waren, der im Brustkorb des Vampirs steckte. Dann rieb er das Klebeband daran – und fühlte das erste Mal seit Stunden wieder so etwas wie Freude: Die Fessel riss, und seine Hände waren frei. Hastig zog er auch von seinem Mund das Band ab. Sein erster Impuls war, tief einzuatmen, doch er scheute davor zurück, immerhin lag er in einem Sarg. Auch wenn es sich nur um eine Attrappe handelte, schien ihm die Luft modrig, erfüllt von Verwesung und Tod. Wieder spürte er das Verlangen, sofort hinauszuspringen, und diesmal gab er ihm nach, ein bisschen zumindest. Er drückte den Sargdeckel auf. Nur einen winzigen Spalt, durch den er nach draußen sehen konnte. Atemlos linste er in das Halbdunkel der Geisterbahn. Sein Blick glitt über grausige Folterszenen, halbverweste Leichen mit gespaltenen Schädeln, einen Mann mit einem Holzprügel, eine …
Burlitz!
Mit dem Rücken zu Kluftinger stand er da und schaute

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