Herzen aus Stein (German Edition)
vier Metern Entfernung erkannte Vince, wie sie zitterte. Noir zitterte äußerst selten. Doch jetzt, wo sie die Gelegenheit wi t terte, nicht nur das zweite Amulett zurückzubekommen, sondern auch Rache am Mord ihrer Familie üben zu können und zu erfahren, was aus ihrem Bruder geworden war, brachte das ihr inneres Gleic h gewicht anscheinend aus dem Lot. Das war nicht gut. Es könnte sie dazu verleiten, unüberlegt zu handeln.
„ Ich danke dir, Magnus, ich weiß deine Loyalität zu schätzen. Ich würde ohnehin nicht wollen, dass du für meine Sache dein Leben aufs Spiel setzt. Du tust schon so viel für mich. “
Noir sprach von ihrem Amulett, das Magnus seit ihrer Flucht an einem sicheren Ort bei sich zu Hause aufbewahrte. Er besaß ein gewaltiges Schloss, das wie eine Festung gesichert war, magisch, selbstverständlich.
„ Wir sehen uns in einer Stunde am Aberdeen Airport “ , beendete Magnus das Gespräch.
Hastig packte Noir das Gerät mit in den Rucksack, steckte ihr Netbook ein und schlüpfte aus ihrem Hemd.
Wie immer, wenn Vincent sie nackt sah, stockte ihm zuerst der Atem. Ob Noir wusste, wie wunderschön sie aussah, wenn ihr langes Haar über ihre apfelgroßen Brüste fiel? Die Brustwarzen standen vor Aufregung spitz ab und lugten durch die Haarsträhnen. Auch in Noirs Gesicht hatten sich Flecken gebildet. Sie war erhitzt. Sie roch jetzt anders, ihre Hormonproduktion lief auf Hochtouren. Adrenalin durchströmte ihren Körper wie ein Aufputschmittel. Vincent konnte es beinahe sehen; ihr Duft visualisierte sich in seinem Gehirn. Aus der rosa Farbe wurde ein helles Blau, das sie wie eine Aura umhüllte. Gott, warum musste ausgerechnet sie die attraktivste Hexe der Welt sein? Noir, fünfundzwanzig Jahre alt, erinnerte ihn an die langbein i gen Models aus den Hochglanzmagazinen. Vincent, der fünf Jahre älter als sie war, hatte erlebt, wie sie vom Mädchen zur Frau herang e reift war, wie aus einem Teen eine mächtige Hexe wurde. Er war damals zwanzig gewesen, als er ihr von der Bruderschaft als B e schützer zugeteilt worden war. Schon als er sie zum ersten Mal e r blickt hatte, war es um ihn geschehen gewesen. Daher quälte ihn jede weitere Sekunde, die er mit ihr verbrachte. Sie immer nur ansehen zu dürfen, machte ihn schier wahnsinnig. Doch sein Beschützerinstinkt überwog. Er würde Noir auch vor sich selbst retten, wenn es sein musste.
Als sie ihren Motorradanzug aus Leder anzog, wusste er, dass ihm gleich eine Verfolgungsjagd bevorstand. Noir sah so heiß aus in dem engen Material, das sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte, dass Vincents Fantasie Überstunden machte. In diesem Outfit hatte sie etwas Gebieterisches. Etwas teuflisch Attraktives. Ein wenig erinnerte sie an Catwoman . Seine Comic-Sammlung kam ihm in den Sinn. Ob Kara die Hefte immer noch unter ihrem Bett versteckte? War sie überhaupt noch der Wächterengel seiner Brude r schaft? Vincent dachte oft an Kara, die seine wichtigste Bezugspe r son gewesen war. Sie war das einzige Geschöpf, das er seit seiner Abreise von „ Zuhause “ vermisste.
Vincent atmete auf, als Noirs schlanke Gestalt unter dem Habit verschwand. Sie schlüpfte in ihre fast kniehohen Lederstiefel, in denen jeweils ein Dolch steckte, und ging zum Bett. Unter dem Kopfkissen zog sie ein Stoffhäschen hervor, das einmal weiß gew e sen war, jetzt allerdings grau und mitgenommen ausschaute. Die Augen schließend, drückte sie das Plüschtier an ihre Brust. Dabei sah sie wie jenes kleine Mädchen aus, als das Vince sie kennengelernt hatte. Danach packte sie den Hasen mit ein. Sie schulterte die Trag e tasche und verließ den Raum. Kurze Zeit später kam sie aus dem Nebentrakt, der im Garten des Klosters lag.
Von seinem Baum beobachtete Vincent ihre große Gestalt, die durch die Nacht schlich und um die Hausecke bog. Obwohl der Mond hell schien, verstand es Noir, sich beinahe unsichtbar zu m a chen. Unsichtbar für Menschen, aber nicht für Vincent. Sofort schnappte er sich den alten Rucksack mit seiner Kleidung, den er in der Krone der Eiche deponiert hatte. Noir hatte ihn einmal wegg e schmissen und seitdem war er in Vincents Besitz übergangen. So gehörte ihm wenigstens etwas von ihr.
Vince sprang vom Baum und rannte auf das Kloster zu. Dort schlug er die Krallen in die Mauer und kletterte auf das Dach. Er sah, wie Noir in der Hecke verschwand, die innerhalb der Klostermauern an der Wand wuchs. Durch eine geheime Tür in der Mauer stahl sie sich
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