Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
Worte könnten von manchen meiner Landsmänner als beleidigend ausgelegt werden, und Ihre Lage erlaubt Ihnen ja wohl kaum, unsere Gastfreundschaft zu kritisieren.“
„Gastfreundschaft?“ Ihre plötzlich aufschießende Wut schnürte ihr beinahe die Kehle zu. „Sie töten meinen Vater und seine Männer, sperren mich stundenlang in einen Keller und verhören mich! Verzeihen Sie mir, aber Ihre Vorstellung von Gastfreundschaft ist äußerst befremdlich.“
Dammartin kam noch näher. Mit unverhohlenem Zorn fasste er sie ins Auge. Als Josette bewusst wurde, wie groß er war, wie stark und männlich, trat eisige Furcht an die Stelle ihrer Erbitterung.
„Ich versichere Ihnen, Mademoiselle, dass ich sogar sehr gastfreundlich mit Ihnen umgegangen bin … bis jetzt.“ Obwohl er sehr leise sprach, stockte Josette der Atem. „Soll ich es Ihnen beweisen, indem ich Ihnen zeige, wie ungastlich ich sein kann?“
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie benetzte sich die Lippen und schluckte schwer. „Sie sind kein Gentleman, Sir.“
„Und Sie sind keine Dame.“
Plötzlich fühlte sie sich unendlich müde. „Ich bitte Sie, Sir, mich freizulassen“, sagte sie ohne alle gespielte Tapferkeit. „Sie wollen mich ebenso wenig als Kriegsgefangene haben, wie ich eine sein möchte. Es ist unvernünftig, mich bis nach Cuidad Rodrigo mitzuschleppen. Wenn Sie mich jetzt gehen ließen, wäre es für uns beide das Beste.“
Sekundenlang herrschte Stille. Dammartin saß reglos im Sattel, den Blick auf sie gerichtet wie ein Jäger, der seine Beute erspäht hat. „Cuidad Rodrigo?“, wiederholte er leise.
Josette hielt entsetzt den Atem an. Sie hatte sich verraten!
„Was wissen Sie über Général Foys Mission, frage ich mich?“ Sein Ton war sanft wie eine Liebkosung.
Zitternd senkte Josette den Blick. Dammartin rückte ihr jetzt so nahe, dass sie die Wärme seines Atems auf ihrer Wange spürte. Mit dem Gefühl aufsteigender Ohnmacht kämpfend, schloss sie die Augen und packte die Zügel, als könnte sie an ihnen Halt finden.
„Pierre“, hörte sie Capitaine Emmerns Stimme.
Die atemlose Spannung zwischen ihr und Dammartin löste sich auf, und Josette wagte es, die Augen zu öffnen und tief Luft zu holen.
„Capitaine Dammartin“, fuhr Emmern etwas förmlicher fort. Er sah seinen Freund und Josette mit einem seltsamen Ausdruck auf seinem Gesicht an. „Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor der General ungeduldig wird.“
Dammartin nickte, und mit einem raschen Schenkeldruck setzte er sein Pferd in Bewegung. In ihrer Erleichterung fühlte Josette sich so schwach, dass sie sich an der Mähne der Stute festhalten musste, weil sie fürchtete, sonst aus dem Sattel zu gleiten.
„Mademoiselle Mallington“, rief Dammartin ihr plötzlich zu.
Sie zuckte zusammen.
„Wir werden dieses Gespräch später zu Ende führen.“ Ein knapper Ruck an den Zügeln, und er war endlich fort.
Foys Marschkolonne mit ihrer Kavallerieabteilung kam weit an diesem Tag – zwanzig Meilen über unebenes, felsiges, unwirtliches Gelände. Der Boden war gefroren, und an Bach- und Flussufern hatten sich Eisränder gebildet. In all diesen Stunden ergab sich für Josette keine Gelegenheit, den 8. Dragonern Napoleons zu entfliehen.
Insgeheim hatte sie gehofft, ein wenig zurückfallen zu können, um dann einfach unauffällig zu entschlüpfen, aber man ließ sie nicht aus den Augen. Die 8. Dragoner marschierten zwischen Emmerns Hannoveraner Jägern, die die Vorhut bildeten, und einem kompletten Regiment der französischen Infanterie. Lieutenant Molyneux ritt in Josettes Nähe, richtete gelegentlich höfliche Bemerkungen an sie, zeigte Interesse an ihrem Wohlergehen und sorgte dafür, dass sie Brot und Wein bekam, als sie kurz haltmachten, um die Pferde zu tränken. Es schien kein Entrinnen zu geben. Doch jedes Mal, wenn ihr Blick auf Dammartin fiel, der weiter vorne ritt, wusste sie, wie unumgänglich es war, dass sie floh.
Dammartin sah sich nicht ein einziges Mal nach ihr um. Die ganze Zeit über schenkte er ihr nicht die geringste Aufmerksamkeit, doch seine Ankündigung, das Gespräch mit ihr fortzusetzen, war eine unverhohlene Drohung gewesen. Das nächste Mal würde er sie verhören, ohne jede Rücksicht darauf, dass sie eine Frau war. Der Gedanke an das, was dieser Mann, von dem so viel Gefahr für sie ausging, mit ihr tun konnte, ließ Josette schaudern. Zwar hatte sie versucht, Tapferkeit vorzutäuschen, aber sie wusste, dass es gegen einen
Weitere Kostenlose Bücher