Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
nicht einmal mehr an die Ereignisse in Telemos und den Tod ihres Vaters oder daran, dass Dammartin ihr Feind war. In diesem Moment gab es nur die überwältigenden Gefühle, die er in ihr weckte, nur diesen intensiven, verführerischen Kuss. Und gerade als Josette sich ganz der Leidenschaft hingeben wollte, löste Dammartin sich von ihr. Alles war genauso plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte.
Die Männer jubelten ihrem Capitaine zu, nachdem er die Engländerin sanft von sich geschoben hatte. Das breite Grinsen auf ihren Gesichtern brachte Josette mit gnadenloser Grausamkeit wieder in die Wirklichkeit zurück.
Taumelnd wich sie einen Schritt zurück. Das Entsetzen über ihr Verhalten war so überwältigend, dass es ihr den Atem nahm, ihre Beine zitterten und hätten sie wohl nicht länger getragen, wäre Dammartin nicht an ihre Seite getreten und hätte sie gestützt. Sekundenlang sahen sie einander in die Augen, doch dann stieß Josette ihn von sich, drehte sich um und floh in die Sicherheit seines Zeltes.
In der Nacht lag sie wach, vollständig angezogen und allein, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Die Erinnerung an den Tod ihres Vaters ließ ihr keine Ruhe – ebenso wenig wie die quälende Erinnerung an den Kuss des Mannes, der am Tod ihres Vaters schuld war.
Dammartin lag auf seinem Bett in dem Zelt, das er mit Molyneux und Lamont teilte, und lauschte dem Schnarchen seiner beiden Kameraden. Er konnte nicht schlafen, weil ihm zum wohl hundertsten Mal die Ereignisse des Abends durch den Kopf gingen – zuerst der erbitterte Streit und ihre Ohrfeige, die er hätte durchgehen lassen, wenn seine Männer nicht Zeugen gewesen wären.
Josette Mallington war seine Gefangene, die Tochter seines Feindes, und Dammartin hatte gewusst, dass er ihre Respektlosigkeit nicht ungestraft hinnehmen konnte. Sein Verlangen, sie zu küssen und ihr auf diese Weise zu zeigen, dass sie sich ihm nicht einfach widersetzen durfte, war übermächtig geworden. Was allerdings als Bestrafung begonnen hatte, war zu einem völlig anderen Ende gekommen.
Er glaubte sie immer noch zu spüren – ihren zierlichen, schlanken und doch so fraulichen Körper und ihre weichen Lippen. Sie hatte sich gegen ihn gewehrt, aber er war nicht willens gewesen, Gnade zu zeigen, und hatte sich gewalttätig genommen, was sie zum allerersten Mal gegeben haben musste. Die Erkenntnis ihrer völligen Unschuld war für ihn wie frisches Wasser für einen Verdurstenden.
Dammartin wusste nicht, was sich verändert hatte, aber am Ende war sein brutaler Kuss zu einem echten geworden. Er hatte sie geküsst, als wäre sie seine Geliebte, voller Zärtlichkeit und Sinnlichkeit. Und als sie zaghaft auf seinen Kuss eingegangen war, hatte er zunächst Überraschung und dann eine so unbändige Freude verspürt, dass er in dem Erlebnis versunken war – rückhaltlos und vollkommen. Erst das Lachen seiner Männer hatte ihn aus seiner Verzauberung gerissen.
Das Mädchen hatte ihn mit dem gleichen Entsetzen angesehen, das er auch empfunden hatte. Scham und Fassungslosigkeit waren in ihren Augen zu lesen gewesen.
Zu spät, Mademoiselle Mallington, dachte er grimmig. Verdammt noch mal zu spät. Im Innersten ahnte er schon seit Tagen, was er nun nicht mehr leugnen konnte – er begehrte die Tochter des Mannes, der seinen Vater ermordet hatte. Die Erkenntnis quälte ihn. Der Himmel mochte ihm beistehen, aber sein Vater musste sich seinetwegen im Grab umdrehen. Doch selbst dieser Gedanke konnte nichts dagegen ausrichten, dass er sich mit jeder Faser seines erhitzten Körpers danach sehnte, Josette Mallington in sein Bett zu locken. Er verzehrte sich nach ihr mit einer Leidenschaft, die ihn gleichzeitig erregte und erschreckte.
Dammartin holte tief Luft und zwang sich, seine Gedanken zu ordnen. Mallingtons Tochter erregte sein Verlangen, allerdings bedeutete das nicht, dass er diesem Verlangen auch nachgeben würde. Es war sehr viel mehr als vulgäre Lust nötig, um Pierre Dammartin dazu zu bringen, das Andenken seines Vaters zu entehren. Offenbar hatte er zu lange auf die Freuden des Fleisches verzichtet, und das begann allmählich, ihm den Verstand zu verwirren. Das Beste wäre, wenn ich mich von jetzt an von ihr fernhielte und ihre Beaufsichtigung gänzlich Molyneux übertrüge, überlegte er. Und nachdem er den Entschluss gefasst hatte, genau dies zu tun, fand er endlich Schlaf.
In den folgenden Tagen bekam Josette den Capitaine nur selten zu Gesicht. Und wenn, schien er
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