Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
Sie mir sagen wollten?“ Er erhob sich von dem Felsen und wandte sich ihr zu. Die Sanftheit, die sie vorhin noch in seiner Miene gesehen hatte, war verschwunden. Vor ihr stand wieder der finstere, bedrohliche Feind, der das Kloster bei Telemos angegriffen hatte.
„Ich bin nicht gekommen, um mit Ihnen zu streiten“, verteidigte sie sich. „Aber waren Sie Zeuge des Mordes an Ihrem Vater?“
Momente verstrichen, dann erwiderte er mit erstickter Stimme: „Nein.“
„Waren Sie bei ihm in Oporto?“
„Leider nein.“
Sie zögerte nur kurz. „Woher wissen Sie dann, wie er gestorben ist?“
„Mademoiselle“, brachte er mit einem bitteren Lachen hervor, „ganz Frankreich weiß, was Ihr Vater ihm angetan hat.“
Mühsam hielt sie ihren Zorn zurück. „Dann gab es also Zeugen für … das Verbrechen?“
„Ja, es gab einen Zeugen“, erwiderte er barsch. „Ein ehrenhafter Mann, der über jeden Verdacht erhaben ist, falls Sie sein Wort in Zweifel zu ziehen versuchen.“
Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. „Wie könnte ein Lügner ehrenhaft sein?“
Ein Zweig knackte irgendwo in dem kleinen Wäldchen in ihrer Nähe, und Josette fuhr zusammen. Beide sahen in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, aber es herrschte Stille.
„Da war nichts“, meinte Dammartin achselzuckend. „Und Ihr Versuch ist nutzlos, Mademoiselle. Lassen Sie uns aufbrechen. Sie sagten selbst, dass Sie vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein möchten.“ Er machte Anstalten, an ihr vorbeizugehen.
„Nein, warten Sie.“ Josette stellte sich ihm in den Weg, weil es ihr wichtig war, ihm seinen Irrtum zu beweisen. „Bevor er starb, versicherte mir mein Vater, Sie seien ein ehrenhafter Mann. Er bat mich, Ihnen zu vertrauen. Wenn Ihre Beschuldigung stimmt, verstehe ich nicht, warum er das hätte tun sollen. Als er Ihrer ansichtig wurde … als Sie in jenem Kloster in den Raum im obersten Stock kamen und alles fast vorbei war, konnte ich keine Schuldgefühle bei ihm erkennen, kein Bedauern und keine Angst. Er sah Ihnen voller Respekt in die Augen. Wie erklären Sie sich das, nach allem, was Sie mir sagen, Sir?“
„Ich habe keine Erklärung dafür, doch das will nichts heißen.“
„Aber geben Sie nicht wenigstens zu, dass das Verhalten meines Vaters nicht zu einem Mann passte, der sich irgendeiner Schuld bewusst ist?“
„Jedenfalls passte es nicht zu dem, was man von einem solchen Mann erwartet“, antwortete Dammartin.
„Lieber Himmel, er lag im Sterben!“, rief Josette, und ein heftiger Schmerz durchzuckte ihr Herz. „Glauben Sie wirklich, er wäre in einem solchen Moment in der Lage gewesen, noch irgendetwas vorzutäuschen? Was hätte er damit erreicht?“
„Lieutenant Colonel Mallington lag im Sterben und ließ seine geliebte Tochter mit dem Sohn des Mannes zurück, den er getötet hatte. Ich glaube, es gab einen sehr guten Grund für ihn, sich so zu verhalten, wie er es tat.“
„Sie kannten ihn nicht.“ Josette schüttelte den Kopf. „Er war nicht berechnend.“
„Sie sind seine Tochter. Es ist nur zu verständlich, dass Sie die Wahrheit nicht glauben wollen.“
„Nein, Sie irren sich“, beteuerte sie. Dennoch regten sich Zweifel in ihr.
„Sie waren nicht dabei. Also können Sie nicht beweisen, was in Oporto geschehen ist, nicht wahr, Mademoiselle?“
Bedrückt senkte sie den Kopf und presste die Finger an die schmerzenden Schläfen. Unvermittelt kam ihr ein Gedanke, und sie konnte nicht verstehen, warum sie nicht schon vorher darauf gekommen war. Die Tagebücher ihres Vaters enthielten Berichte über alles, was Lieutenant Colonel Mallington und seinen Männern widerfahren war. Triumphierend sah sie Dammartin an. Ihre Erkenntnis belebte sie mit neuer Hoffnung.
„Doch, Capitaine, das kann ich“, rief sie. „Und zwar jede Einzelheit jedes Tages.“ Sie lächelte in unendlicher Erleichterung.
Dammartin rührte sich nicht. „Und wie soll das möglich sein, Mademoiselle?“, fragte er gefährlich ruhig.
Die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, warnte sie im letzten Moment, zu viel preiszugeben. „Ich …“ Sie schluckte und wandte den Blick ab, doch ihr fiel keine unverfängliche Erklärung ein. Langsam wich sie vor ihm zurück. „Sie haben recht, wir sollten ins Lager zurückkehren. Es wird bald dunkel, und …“
Unbarmherzig schloss er die Finger um ihr Handgelenk. „Nein, Mademoiselle“, unterbrach er sie gelassen. „Unser Gespräch beginnt allmählich, mich zu
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