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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Weinstein zum Notar.«
    Er sah ihr ins Gesicht und schüttelte lange den Kopf, dann griff er nach ihrer Hand.
    »Wer bist du, Katharina?«
    Die Frage war ihr unangenehm. Durch die Fenster des Gutshauses drang Trivials langgezogenes Heulen.

32
    Der Mann in dem Jogginganzug schloß das Fenster und zog die Gardine zu. Dann schob er sie mit dem Daumen einen Spaltbreit auf und schaute reglos hinaus. Wahrscheinlich versuchte er herauszufinden, ob der Student allein gekommen war.
    »Was soll das? Machen Sie mich sofort wieder los!« (Eine Protestnote ohne Wirkung.) Jakob betrachtete seine Fußfesseln. Es waren gepolsterte Metallklammern, wie sie sonst benutzt wurden, um sich an einer Reckstange mit den Füßen einzuhängen.
    Diese waren allerdings an den Rahmen der Liege geschweißt. Den einfachen Spannverschluß hätte er leicht öffnen können, wären ihm nicht die Hände unter der Liege zusammengebunden worden.
    »He, hören Sie, was soll das?«
    Er hatte Mühe, seine Fesselung ernst zu nehmen. Sie schmerzte nicht und ließ ihm Spielraum. Die gesamte Situation erschien ihm nicht bedrohlich. Am liebsten hätte er laut gelacht. Doch das war unpassend. Wilhelm Weber wollte ihn wahrscheinlich nur auf seine Art beeindrucken, mit Kraft und Geschicklichkeit, so wie es Jan van Grunten auf der anderen Seite des Dorfes mit seinem Wesen und seinen Worten getan hatte. Es war eine Demonstration von Macht.
    »Sie wissen, wer ich bin?« fragte der Mann, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen.
    »Im Kino sind Verbrecher immer maskiert. Denn wenn das Opfer seinen Peiniger wiedererkennen würde, muß es umgebracht werden.«
    Weber lachte und drehte sich um. »Wir sind hier in Herzensach, da läuft es umgekehrt. Wenn das Opfer seinen Peiniger nicht erkennt, muß es umgebracht werden.«
    »Sie wollen Furcht verbreiten?«
    »Man lacht über mich, und man fürchtet mich.«
    »Das widerspricht sich nicht. Es kennzeichnet viele absolute Herrscher.«
    Weber runzelte die Stirn. »Ist das so?« Er kam näher. »Sie haben recht.« Er knetete sich das Kinn. »Und was ist dann mit einem Herrscher, über den man nicht lacht?«
    »Hören Sie zu. Ich würde unser Gespräch gern im Sitzen und ohne Fesseln fortführen.«
    Wilhelm Weber schüttelte den Kopf. »Ihre Antwort!«
    »Das Volk lacht über Herrscher, die selbst nicht lachen können. Wenn der Herrscher selbst lacht, hat das Volk meist nichts mehr zu lachen.«
    Der Wurstfabrikant dachte nach, dann lachte er. »Sie sind ein kluger Kopf, was? Wer sind Sie?«
    »Das wissen Sie doch.«
    »Ich will es von Ihnen hören, warum Sie hier sind.«
    »Man hält mich gefangen.« Jakob zerrte an seinen Fesseln. (In einer Comedy-Serie hätte es für diesen Spruch einen Lacher gegeben.)
    Weber hatte keinen Humor. »Was wollen Sie hier?«
    »Ich bin mir nicht mehr so sicher. Ich glaube, als ich den Ort zum ersten Mal sah, war es der Wunsch nach einem einfachen, überschaubaren Leben. Wie in einem richtigen Heimatroman. Ich war wohl geradezu süchtig nach Menschen, die darin normalerweise eine Rolle spielen – nach einem Förster, einem Gutsherrn, einem Pastor, einem Findelkind und natürlich auch nach einer Person wie Ihnen. Doch von Anfang an war da ein Störfaktor, und nun läßt meine Sucht nach. Nichts ist, wie es sein soll. Die Realität verursacht schmerzliche Entzugserscheinungen. Die Träume werden zu Albträumen. Ich stehe also vor der Entscheidung, mich dem Wahnsinn oder dem Zynismus hinzugeben. Was meinen Sie?«
    Jakob war inzwischen davon überzeugt, daß ihn nicht nur die Eignung des Heidbergwaldes für seine Arbeit von der Weiterfahrt abgehalten hatte, sondern eine Reihe von Bildern, die ihm ein anderes Leben versprochen hatten. Jetzt schien es ihm, als habe schon von Anfang an Katharinas Erscheinung in seinem Unterbewußtsein gewirkt. Doch von seiner Liebe wollte er nichts verraten.
    »Ich glaube, Sie sind sich über Ihre Lage nicht im klaren.« Wilhelm Weber durchquerte den Raum bis zur Eingangstür. Bisher hatten nur wenige der Leuchtstoffröhren gebrannt, jetzt schaltete er das volle Deckenlicht ein. Der Raum war mit einem großen Wandspiegel ausgestattet. Die Einrichtung entsprach der eines professionellen Fitneßstudios: zwei mannshohe Geräte mit Zugseilen und Gewichten, eine Sprossenwand, ein Laufband, zwei Ergometer, eine Bank mit Hanteln in verschiedenen Größen und kleinere elektrische Schalttafeln auf Rollen, deren Bedeutung Jakob nicht kannte.
    Langsam kam Weber zurück, blieb vor Jakob

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