Herzensach - Roman
Arzt und einen englischen Magier engagiert haben, die beide nur dafür zuständig waren, daß seine Frau nach neun Jahren Ehe endlich schwanger wurde und mit Sicherheit einen Sohn gebar. Der Sohn, der mit magischer Hilfe gezeugt wurde, Johann Jacob, hatte rund dreißig Jahre später ähnliche Mühe, einen männlichen Nachfahren zu zeugen. Ein Gerücht unterstellte ihm, er hätte eine erstgeborene Tochter gehabt, sie Verwandten in Holland übergeben oder vielleicht sogar getötet.
»Verstehst du: ein neues Leben. Die Chance, die ganze klebrige Tischlerei hinter mir zu lassen.«
Trivial nickte ohne Überzeugung und begleitete Katharina zum Gutshaus. Katharina versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal die Pappelallee entlanggegangen war. Die Vorgänge auf dem Gut, die Feste, zu denen auch die Dorfbewohner eingeladen wurden, interessierten sie schon lange nicht mehr. Jan war aus ihrem Leben und ihrem Bewußtsein verschwunden, lange bevor er die Nachfolge seines Vaters antrat. Es mußte sieben, acht oder mehr Jahre her sein, daß sie diesen Weg gegangen war, wahrscheinlich um eine läppische Rechnung ihres Pflegevaters zu überbringen. Thomas Timber hatte sie schon früh für die Tischlerei zu interessieren versucht. Als Kind bastelte sie mit Holz, sägte Tiere aus, zimmerte Puppenstuben, klebte Blumen aus Hobelspänen, baute Schiffe und half bei den richtigen Tischlerarbeiten. Es gab keinen genauen Zeitpunkt, an dem ihre Sympathie für Thomas Timber in Ablehnung umgeschlagen war. Sie hatte noch, wie erwartet, mit einer Tischlerlehre begonnen. Die Auseinandersetzungen waren heftiger geworden. Im zweiten Lehrjahr hatte sie im Streit mit ihrem Pflegevater alles hingeworfen. Sie wollte weg, weg von ihrem Pflegevater, ihrem Vormund, dessen Anblick, Gesten und dessen Art zu reden sie bereits reizten. Sie wollte weg aus Herzensach. Doch der Tischler ließ sie nicht gehen. Sie mußte bleiben. Und sie blieb zu ihren Bedingungen, absolvierte die Handelsschule in Weinstein mit dem Ziel, danach in einer größeren Stadt Arbeit und Wohnung zu finden. Es ging nicht. Das Gehalt einer Anfängerin im Büro reichte für den Lebensunterhalt und eine Wohnung nicht. Außerdem bestand Thomas Timber auf seinem – erst mit ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr endenden – Recht, als Vormund bestimmen zu können, wo sie lebte. Er wollte sie nicht gehen lassen. Sie sollte in der Tischlerei arbeiten. Die beiden standen einander unversöhnlich gegenüber. Sein Zugeständnis war schließlich ihre Halbtagsbeschäftigung im Büro.
Katharina blieb und wartete auf ihren einundzwanzigsten Geburtstag und auf eine Chance, gehen zu können.
»Du bist ein Mann«, sagte sie zu Trivial. »Außerdem ein Hund. Du verstehst das nicht.« Er war ein paar Meter vorausgelaufen, blieb jetzt stehen und drehte den Kopf zurück.
»Ja, ja, ist ja gut. Ich habe gesagt, ich würde mich niemals mit einem Mann einlassen. Ich weiß.« Sie wurde allmählich ärgerlich über seinen vorwurfsvollen Blick. Natürlich hatte er recht. Sie hatte sich niemals mit einem Mann einlassen wollen. Dieser Inbegriff der Erniedrigung war nun der Weg zu Geld und Freiheit, zu dem Leben, das sie sich immer gewünscht hatte – ohne Männer.
»Begreifst du, es ist nur möglich, weil er die Verbindung genausowenig will wie ich. Es ist ein reines Zweckbündnis für eine kurze Zeit. Was ich an der Beziehung zwischen Männern und Frauen hasse, wird nicht stattfinden: keine Intimität, verbunden mit Brutalität oder unbeherrschter Leidenschaft – ein sachlich vorgenommener Zeugungsakt genügt.«
Er hatte ihr aufmerksam zugehört, doch nun war es Zeit, sich hinter dem Ohr zu kratzen. Sie schüttelte den Kopf. »Ach, das begreifst du doch nie, du bist ein Hund und genauso ein willenloses Bündel deiner Triebe – obwohl ... Hast du eigentlich Kinder?«
Niemals hatte sie in die gleiche Zwangslage wie ihre eigene Mutter kommen wollen und deshalb für sich ein eigenes Kind ausgeschlossen. Wie verzweifelt mußte ihre Mutter über das ungewollte Baby gewesen sein, daß sie es vor einer Kirchentür aussetzte? Was für ein herzloser Mann mußte ihr Vater gewesen sein, daß er die Not der Mutter nicht bemerkte, ihr nicht beistand? Aber von einem Mann war wohl nichts anderes zu erwarten.
Nun würde Katharina selbst ein Kind bekommen müssen. Es war die Bedingung für das neue Leben. Aber alles war von vornherein geregelt, wie es bei ihrer Mutter hätte geregelt sein müssen. Sie besaß die
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