Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
Vom Netzwerk:
besten.«
    »Was machen Sie, hören Sie auf!«
    Sie hob den Stoff und stach das Messer hinein und schlitzte so an beiden Oberschenkeln die Hose auf. Dann schob sie eine der fahrbaren elektrischen Schalttafeln heran, zog ein kleines Gerät mit einer Schlauchverbindung heraus. »Es tut nicht weh. Sie müssen Ihre Muskeln ganz entspannen. Ich muß nur den Druck messen, damit wir später feststellen können, wieviel es gebracht hat.«
    »Was ist das? Sind hier denn alle verrückt?«
    »Das ist etwas ganz Modernes. Der Innendruck Ihres Beines wird mit Luft gemessen. Also da ist so ein kurzer Luftdruckstrahl, der ist auf die Haut gerichtet, und der Widerstand, auf den er trifft, der wird hier angezeigt. Also, wenn Sie sich nicht entspannen wollen, kann man das auch im angespannten Zustand machen. Man muß dann nur die Vergleichsmessung auch im angespannten Zustand machen.«
    Jakob sah ihr sprachlos zu. Sie nahm die Messung vor und trug die Daten auf einem Papier ein, das auf den Meßgeräten unter einer Klammer befestigt war. Dann klebte sie zwei Elektroden, die ebenfalls mit den Meßgeräten verbunden waren, an die Innenseite seiner Oberschenkel, sicherte sie mit einem elastischen Band. »Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, es ist nur ein ganz schwacher Strom. Er bewegt Ihre Muskeln.«
    »Mein Gott, was soll das?«
    »Wissen Sie es nicht? Ich dachte, er hätte es Ihnen erklärt. Es geht einfach darum, das Muskelfleisch aufzubauen und die Bildung von Fettschichten zu verhindern. Es gehört natürlich eine bestimmte Ernährung dazu. Wir müßten Sie noch umstellen. Bei der Schlachtreife, nach sechs Monaten, wäre dann das Verhältnis von Muskelfleisch zu Fettgewebe so günstig, als hätten wir Sie die ganze Zeit im Freien gehalten. Verstehen Sie, als wären Sie die ganze Zeit auf der Weide herumgelaufen.«
    Sie drehte an einem Knopf auf der Schalttafel, und Jakob registrierte, wie die Muskeln seiner Oberschenkel zu zucken begannen. Sie betrachtete ihn zufrieden.
    Weber öffnete die Tür, kam aber nicht herein. Er hatte ein Hemd über seinen nackten Körper gezogen und knöpfte es zu. »Ich muß sofort ins Büro«, rief er.
    »Ich bin gleich fertig.«
    »Laß dir Zeit.« Weber verschwand.
    »Er ist ganz nett«, erklärte Lisa. »Am Anfang habe ich natürlich gedacht, er ist ein Schwein, obwohl ich ihn mochte. Aber natürlich ist er keiner von uns.«
    Sie legte ihre Hände auf seine Schenkel und prüfte die Bewegung seiner Muskeln. »Ich könnte es noch ein wenig stärker einstellen.« Sie rutschte mit den flachen Händen hin und her. »Findest du nicht, daß es Spaß macht? Ich finde, es macht Spaß.«
    Dann schwang sie sich auf ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust. Sie schloß die Augen.
    »Ich spüre es«, sagte sie.
    »Wollen Sie etwa so einschlafen«, protestierte Jakob. »Sie sind mir zu schwer. Es tut weh.«
    »Psst.«
    Er versuchte sie abzuschütteln, aber es gelang nicht. Erst als sie den Schlag mit der Bratpfanne auf den Hinterkopf erhielt, rutschte sie zu Boden. Überrascht von der Wirkung, betrachtete Rudolf Pedus die Pfanne. »Oh, Entschuldigung, ich wußte nicht, daß es so einfach ist. Ich wußte auch gar nicht, was ich nehmen sollte. Die Pfanne stand auf der Herdplatte. Mir ist nichts anderes eingefallen, was ich tun könnte. Ich glaube aber, Lisa ist ziemlich stark oder ...« Er ließ die Pfanne fallen und beugte sich zu dem Mädchen herab. »Was habe ich getan?« Er fühlte ihren Puls. »O Gott, hoffentlich ist sie nicht tot. Aber was sollte ich tun? Sie sind mein Zeuge, ich hatte doch keine Zeit zu diskutieren, nicht wahr?«

33
    Es war soweit: Die Welt begann sich zu spalten. Manuela Kotschik hatte es schon immer befürchtet. Alles war eindeutig, solange beide Teile wie im Puzzle ineinanderpaßten. Himmel und Erde, Menschen und Tiere, Natur und Technik, Gott und der Teufel. Brachen die Teile auseinander, so war jedes für sich bedeutungslos, namenlos, nicht mehr zu erkennen.
    Sie spürte das Vibrieren des Handlaufs und blieb mitten auf der Treppe stehen. Ihre Hand zuckte vom Geländer zurück. Sie preßte sich angstvoll gegen die Wand und fühlte das Zittern des Hauses um so deutlicher.
    Genauso hatte sie es erwartet. Die Gebäude mußten zerfallen. Jedes Haus war ein Kompromiß zwischen jahrmillionenalten, der Erde entliehenen Bestandteilen und menschlicher Erfindungskraft. Jedes Gebäude war eine Verabredung, die jetzt aufgelöst wurde. Ein leichter Schwindel packte sie. Sie sah zu den Seilen

Weitere Kostenlose Bücher