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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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empfunden. Er ließ den Kopf auf das Polster der Liege sinken und drehte ihn zur anderen Seite. Er wollte dem Schlachter nicht mehr zusehen. Es schien ihm ein Mittel, sich von seiner Furcht zu befreien. Er dachte, es wäre vielleicht auch gut, einfach draufloszureden und damit nicht mehr aufzuhören. Etwa so: »Ich weiß nicht, was das alles soll, ich verstehe das nicht. Ich bin, wer ich bin. Ich habe es Ihnen gesagt. Es ist doch Unsinn, wenn ich Ihnen etwas gestehe, was nicht wahr ist. Und Ihnen ist es auch egal, wer ich bin, also, was soll das? Warum sollte ich sagen, ich wäre mit den Grafen Weinstein verwandt? Wenn Sie wollen, bin ich es eben. Aber bitte, was soll Ihnen das nützen? Und was nützt mir das? Es kommt mir so vor, als müßten Sie mich, wenn ich das gestehe, erst recht umbringen ... falls Sie das vorhaben. Aber wozu? Was soll das alles? Ich warne Sie, ich habe unten beim Frühstück im Gasthof gesagt, wo ich bin ... daß ich hier bin ...« Jakob lachte. »Es hört sich wirklich an, als hätte ich Angst, nicht wahr? Sie haben also Ihr Ziel erreicht.« Das Geständnis seiner Angst verminderte sie. Doch auch jetzt bekam er außer dem durch das Reiben und Kneten der Haut verursachten Geräusch keine Antwort. Er versuchte sich eine Vorstellung davon zu machen, was der Wurstfabrikant mit ihm vorhatte. Er erinnerte sich an Folterspezialisten aus zahllosen alten Agentenfilmen – an Zahnärzte, Elektriker, Chemiker mit Säuren, Knochenbrecher, Chirurgen mit Skalpellen, Männer mit Motorsägen, Elektro- und Rasiermessern –, aber nie hatte er davon gehört, daß jemand mit bloßen Händen gefoltert worden war.
    »Nun hören Sie doch. Was haben Sie vor? Sie brauchen es nicht zu tun. Es ist ja gut. Ich sage Ihnen, was Sie wollen. Hören Sie, ich gestehe alles. Meinetwegen, bin ich eben ein Weinstein.«
    Weber rührte es nicht.
    »Hallo! Hören Sie! Ich bin ein Weinstein!«
    Jetzt hielt er in seiner Massage inne. »So nicht.« Er stellte sich vor dem Wandspiegel auf und ließ seine Muskeln spielen. Nacheinander bewegte er jeden einzelnen durch eine knappe Bewegung oder Haltungsänderung. Manchmal erschien Jakob das An- und Abschwellen wie eine fortlaufende Bewegung, als krieche etwas unter Webers Haut entlang.
    »Man hätte mich spätestens mit fünfundzwanzig schlachten sollen«, sagte Weber, winkelte den linken Arm an und prüfte mit der rechten Hand die Festigkeit des Bizeps. »Jetzt ist alles viel zu zäh.«
    »Haben Sie nicht gehört, ich gestehe alles! Ich bin ein Weinstein. Ich bin ein Weinstein.« Jakob sang es fast. »Was ist nun? Muß ich erst schreien, damit alle hören, daß Sie Ihre Aufgabe erfüllt haben?«
    Die junge Haushälterin fiel ihm ein. Doch von ihr war wohl kaum Hilfe zu erwarten. Sie hatte ihn in die Falle geschickt. Vom Bungalow bis zum Dorf drang wahrscheinlich kein Laut, selbst wenn das Schiebefenster offen gewesen wäre. Plötzlich war es ganz still im Raum. Jakob drehte den Kopf. Weber stand genau neben der Liege und beugte sich leicht über ihn.
    »Kennen Sie meine Frau?«
    »Ich ... ja.«
    »Sie ist von hier. Die Leute hier sind vollkommen mitleidslos. Begreifen Sie, es ist, als würde ihnen ein Glied fehlen. Sagen wir, der Mitleidsknochen. Sie werden ohne Mitleidsknochen geboren. Verstehen Sie?« Er streckte seine Hände aus und spreizte sie über Jakobs Körper. Der Student hielt die Luft an, bei der ersten Berührung würde er entweder lachen oder schreien. Vielleicht war es eine Foltermethode, die auf Kitzeln beruhte?
    »Sie sind also ein Weinstein?«
    »Sicher.«
    »Gut.«
    Die Tür öffnete sich. Lisa, die Haushälterin, steckte mit hilflosem Stirnrunzeln den Kopf herein, dann folgte eine Hand, auf der sie ein Funktelefon präsentierte. »Ich konnte nicht ...«
    »Schon gut.« Weber ging auf sie zu, nahm ihr das Telefon aus der Hand. »Messen Sie den Druck, und legen Sie ihm die Elektroden an die Oberschenkel.«
    Er hielt das Funktelefon ans Ohr und ging hinaus.
    Lisa kam langsam näher. »Sie haben ja noch Ihre Hose an.« Sie ging um ihn herum. »Wie soll ich denn da ...?«
    »Binden Sie mich los, schnell!«
    »Was?«
    »Sie sollen mich losbinden. Er hat mich gefesselt!«
    »Ja, ja, das macht er immer so.«
    »Sie verstehen nicht, ich werde von ihm gefangengehalten. Machen Sie mich los!«
    Sie lachte. »Was geben Sie mir dafür?«
    »Verdammt, das ist kein Spiel!«
    Sie holte aus ihrer Schürzentasche ein Küchenmesser und griff nach dem Stoff seiner Hose. »So geht's am

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