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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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den Arzt.« Der Tischler wußte, daß ihn die Herzensacher zwar zum Bürgermeister gewählt hatten, aber daß er bei ihnen keine Autorität besaß, wenn es um Angelegenheiten ging, die nur das Dorf und seine Bewohner betrafen. (Manchmal sprach er von sich selbst als Außenminister.) Im Grunde war ihre Wahl nur deshalb auf ihn gefallen, weil der Gutsherr diese Position nicht selbst besetzen wollte und weil Hermann van Grunten ihn vorgeschlagen hatte.
    Die beiden Nachbarn sahen ihren Bürgermeister zweifelnd an. »Sollten wir nicht besser dem Gutsherrn ... wenigstens Bescheid sagen?«
    Der Tischler hatte diesen Einwand erwartet.
    »Wie blöd seid ihr eigentlich. Haben wir nicht genug Ärger? Wenn ihr den Zorn des Gutsherrn auch noch spüren wollt, dann tut es. Und was kann der schon machen?«
    Wütend drehte er sich um, kam aber noch einmal zurück, um den Bewußtlosen zu betrachten. »Dieser Idiot, am besten wäre, er würde sterben.«
    »Lieber nicht, dann würde der Arzt erst recht blöde Fragen stellen. Marie hat nämlich schon ... Hier!« Einer der Nachbarn zog die Bettdecke vom Körper des Ohnmächtigen. Sein Unterkörper war nackt.
    »Marie hat ihn mit einer Nadel gestochen. Verstehst du, damit er aufwacht. Nicht so tief, aber überall an den Schenkeln, am Hintern. Da sind die Einstiche. Wir mußten ihr die Nadel wegnehmen. Sie hörte gar nicht wieder auf.«
    Der Tischler stöhnte. »O nein! Verdammt noch mal. Hättet ihr das nicht verhindern können?«
    »Wir hielten es anfangs für eine gute Idee.«
    Thomas Timber spürte das Wachsen seiner Wut. Sie wuchs so schnell, so heftig, daß sie ihn zerreißen oder verbrennen würde, wenn er nicht sofort etwas tat. Er rannte aus der Kammer, packte im Vorbeigehen den Wirt am Arm, zerrte ihn aus der Küche nach vorn auf den Hof. Er sah sich um, es war niemand zu sehen, und holte tief Luft, bevor er losbrüllte: »Du Hornochse, du weißt ganz genau, daß das Zeug die Gaststätte nicht verlassen darf, aber deine Gier, immer mehr Geld mit den eigenen Leuten zu machen, hat nun dazu geführt, daß Bonnet in die Kiste springt. Ich werde dafür stimmen, dich den Würmern vorzuwerfen. Du bist nichts wert, du bist Abschaum, Dreck ...« Die Luft war ihm ausgegangen, und erst jetzt bemerkte er, daß er den Wirt am Hemdkragen gepackt, geschüttelt und gewürgt hatte. Er ließ ihn los; Peter Wischberg stolperte und fiel zu Boden. Thomas Timber gab ihm einen Tritt und marschierte davon. Doch seine Wut besänftigte sich nicht, drang im Gegenteil in jede einzelne Muskelfaser und ließ Arme und Beine vibrieren. Nur mit schwerer Arbeit würde Thomas Timber seinen zitternden Körper beruhigen können. Er schlug den Weg zu seiner Hütte am Lichter Moor ein. Vor Tagen hatte er ein großes altes Stück Holz, so groß wie keins zuvor, dort deponiert, um es bei Gelegenheit zu bearbeiten. Heute würde er beginnen, die grobe Form herauszuschlagen. Er würde bis zur Erschöpfung daran arbeiten. Sollte der alte Bonnet doch sterben. Warum goß er sich zuviel hinter die Binde. Er war alt genug, um zu wissen, was passieren konnte. Sollte der Idiot doch sterben. Er war alt genug. Viel zu alt für seine junge Frau. Marie, die so gern spielte. Doch wenn der alte Bonnet starb, mußte sich Thomas Timber um Marie kümmern. Seine Aufgabe war es, dem Gutsherrn einen jungen Mann aus dem Dorf vorzuschlagen, den dieser daraufhin als Verwalter des Bonnet-Hofes bestimmte. Was wurde dann mit ihm und Marie? Diese dumme Gans hatte doch glatt versucht, ihren bewußtlosen Mann abzustechen. Und in ihrem Übermut hätte sie ihn vorhin fast verraten!
    Timbers Wut, die sich fast schon auf dem Rückzug befand, bekam neue Kraft, schoß aus der Brust den Hals hinauf ins Gehirn. Eroberte neue Gefilde. Blockierte heimlich eine gewisse motorische Steuerung.
    Er schloß seine Hütte auf, öffnete die Fensterklappen von außen und klemmte sich dabei den linken Daumen, so daß er in ein Wutgeheul ausbrach und vor Schmerz zu tanzen begann. Den Daumennagel würde er verlieren. (Paß doch auf, du gehst zu weit.) Er ging in die Hütte und hielt den Finger einige Minuten in kaltes Wasser, dabei betrachtete er den riesigen Klotz. Er wußte, was daraus werden sollte. Die obere Seite war schräg, er würde sie als erstes absägen. Das müßte die kleine elektrische Handkreissäge gerade noch schaffen. Er stellte die Säge an, wuchtete den Klotz auf seine Werkbank, doch als er die Säge ansetzte, rollte der Klotz nach vorn. Er fluchte,

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