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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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dessen Haushälterin? Vor denen fürchtete er sich nicht. Jetzt war er gewarnt und würde sich nicht wieder überrumpeln lassen. Und das Mißverständnis, er sei ein Weinstein, würde sich schließlich auch klären lassen. Langsam ging er auf das Pfarrhaus zu.
    Sicher, alle diese Vorgänge waren nicht geeignet, daß er sich länger als notwendig hier aufhielt. Einen Wald für seine Untersuchung fand er wirklich auch woanders. Aber ohne Katharina würde er nicht gehen. Keine Frage!
    Nur im ersten Stock des Pfarrhauses brannte hinter den Fenstern Licht. Die Tür war offen. Er trat in den Flur und lauschte. Es war nichts zu hören. Er rief ein paarmal nach dem Pfarrer. Keine Antwort. Er stieg geräuschvoll die Treppe hinauf. Oben angekommen, rief er erneut. Aus einer der angelehnten Zimmertüren drang Licht.
    »Nun kommen Sie schon«, antwortete ungeduldig eine Frauenstimme.
    Jakob öffnete die Tür. Die Frau des Pastors saß aufrecht im Bett und lächelte ihn an. »Ich weiß, wer Sie sind. Kommen Sie herein.« Sie deutete auf einen Stuhl neben sich. »Mein Mann hat mir von Ihnen erzählt. Er hat große Hoffnung in Sie gesetzt, daß Sie das Instrument spielen können.« (Sie starb nicht?)
    »Wo ist er?« Jakob setzte sich und versuchte seine zerschnittenen Hosenbeine zu verbergen. Doch Inge Pedus hatte sie längst bemerkt. »Was ist passiert?« (Sie war viel zu lebendig!)
    Er berichtete, daß er im Brunnenschacht gefangen gewesen war, ihr Mann habe ihn ohne böse Absicht in die mißliche Lage gebracht. Sie wurde ernst und schwieg einen Augenblick.
    »Er hat Sie eingesperrt, nicht wahr?« Sie lachte. »Wahrscheinlich mit der Begründung, für mich zu spielen.« Sie betrachtete ihn belustigt. »Und Sie haben sich befreit?«
    Er nickte.
    »Ich wundere mich die ganzen Tage schon über seine Aktivitäten. Würden Sie mir etwas versprechen?« Sie drehte ihm ihren Oberkörper zu und stöhnte dabei. »Sie wissen, daß ich bald sterbe?« (Also doch!)
    Er nickte.
    Sie lachte. »Genaugenommen sterbe ich schon seit Jahren. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann es angefangen hat. Und Sie?«
    »Früher mal, im Moment nicht.«
    »Versprechen Sie mir zu spielen, wenn es bei mir soweit ist, Sie in der Nähe sind, der Eingang zum Brunnen gerade offen ist und es keine großen Umstände macht?«
    »Ich kann auf dem Ding nicht spielen.«
    »Das macht nichts. Es klingt sowieso furchtbar.«
    »Warum soll ich dann spielen?«
    »Es fällt mir dann leichter, die Ohren für immer zu schließen.«
    Jakob lachte. »So habe ich das noch nie gesehen.«
    »Meine Augen sind schon für immer geschlossen. Ich bin blind.«
    »Oh, Entschuldigung.«
    »Es stimmt nicht. Es war nur ein Witz.« Sie amüsierte sich über ihn. »Ein typischer Herzensacher Scherz. Wissen Sie, warum wir hier noch leben?« (Sie war wirklich viel zu lebendig. Gefährlich lebendig?)
    »Ich würde mal sagen, weil es Ihnen hier gefällt.«
    »Jetzt machen Sie Scherze ... Wir leben noch, weil alle Angst vor meinem Mann haben. Kennen Sie Michael Pedus?«
    Jakob schüttelte den Kopf.
    »Er war ein berüchtigter Folterknecht des Zaren. Er schlitzte seine Opfer vom Geschlecht bis zum Hals langsam auf. Haben Sie schon mal von Peter Pedus gehört? Auch nicht? Er war ein Gehilfe von Denis Papin. Den kennen Sie aber?«
    Jakob hob die Schultern.
    »Denis Papin ist der Erfinder des Unterseebootes. Im Jahr 1691 hat er es erfolgreich in der Fulda tauchen lassen. Er wollte es ursprünglich schon ein Jahr früher tun, doch sein Gehilfe Peter Pedus hatte das erste Boot geklaut und kaperte damit auf der Ostsee Schiffe. Er tauchte nachts neben ihnen auf, schlich sich an Bord, und raten Sie mal, was er mit der Besatzung machte. Richtig, er schlitzte sie auf. Der Länge nach. Von unten nach oben. Möchten Sie noch mehr Vorfahren meines Mannes kennenlernen? Zum Beispiel Jacques Pedus, den Henker Ludwigs XVI. oder Pinkus Pedus, genannt ›der Pole‹, der Ende des letzten Jahrhunderts in Berlin reihenweise Mädchen aufschlitzte?«
    »Danke, nein.« Jakob sah ihren Blick auf seine aufgeschlitzte Hose. »Das war er nicht«, beeilte er sich, sie zu beschwichtigen.
    »Verstehen Sie nun? Wenn ich jetzt ein Messer unter der Bettdecke hervorhole und Sie aufschlitze – jeder würde es für völlig normal halten!«
    Jakob lachte. Er wollte ihr nicht glauben. Sie sah, daß er an ihrem Verstand zweifelte.
    »Sie haben recht. Es ist alles nicht wahr. Da drüben finden Sie den Beweis. Holen Sie das

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