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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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und Jakob ärgerte sich, daß er nicht längst verschwunden war. Das war die Strafe für seine Neugier: Jeder Fluchtweg war ihm versperrt. Er sprang hinter ein paar große Kanister, gerade rechtzeitig, denn die Mutter des Wirtes kam mit einem kleinen Korb herein, den sie auf dem Arbeitstisch abstellte. Sie holte Pilze heraus und legte sie auf ein Brett. Wenn sie hier zu arbeiten begann, würde sie ihn bald bemerken, denn die Kanister boten wenig Deckung. Er mußte versuchen, sich hinauszuschleichen. Oder einfach loslaufen, auch wenn es Lärm machte. Er mußte nur schnell sein. Sie schaltete ein Gerät ein, das einen hohen, sirrenden Ton von sich gab. Das war seine Chance, das Geräusch würde seine Schritte übertönen. Er schlich sich zur Tür, ohne Luise Wischbergs Rücken aus den Augen zu lassen. Doch im Türrahmen blieb er fassungslos stehen. Er war dabei, die Vorbereitungen für einen Mord zu beobachten. Luise Wischberg schnitt Fliegenpilze in kleine Stücke und warf sie in eine Zentrifuge, an deren Seite der bräunliche, giftige Saft in ein Glas lief.
    »Was machen Sie da?« fragte er.
    Luise Wischberg fuhr herum, faßte sich an die Brust. »Wie können Sie mich so erschrecken! Haben Sie kein Herz?«
    »Doch, leider ...«
    »Dann sollten Sie mit fremden Herzen nicht so leichtfertig umgehen.«
    »Und was machen Sie?« Er wies auf die Pilze.
    »Wie?«
    »Was!«
    »Was, was?« Sie begriff nicht, was er wollte, doch plötzlich lachte sie. »Ach so!«
    Er überlegte, wen sie töten wollte. Es kam nur ihr eigener Sohn in Frage. »Es lohnt sich nicht«, sagte er. »Es ist keine Lösung.«
    »Sie haben recht. Deshalb würde ich es auch nie selbst trinken.« Sie wandte sich wieder dem Arbeitstisch zu, warf weitere Pilzstücke in die Zentrifuge. »Übrigens, jetzt, wo Sie es gesehen haben, müßte ich Sie zwingen, auch davon zu trinken.«
    »Ach, wie wollen Sie das tun?«
    »Indem ich eine großkalibrige Waffe aus der Küchenschürze ziehe und gegen Ihre Stirn halte.«
    Er zuckte zurück. »Eine Leiche genügt Ihnen nicht?«
    Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Ich habe noch keinen umgebracht.« Sie schnitt weitere Fliegenpilze klein.
    »Aber Sie sind dabei.«
    »Wenn Sie sich zur Verfügung stellen würden. Ich täte den Bewohnern einen Gefallen.«
    »Die wollen mich tot sehen?«
    »Mit Vergnügen.«
    Sie füllte den Saft in einen Meßbecher, goß eine bestimmte Menge in eine Flasche, maß eine andere Flüssigkeit ab, mischte sie grob mit zwei weiteren Flüssigkeiten aus den Kanistern und füllte die Flasche auf. Sie drückte mit einer Hebelmaschine einen Korken hinein und spannte die Flasche in eine Maschine. Sie betätigte einen Schalter, und die Flasche wurde herumgewirbelt.
    »Warum machen Sie das?«
    »Nun, wenn es sich absetzt, wird's gefährlich.«
    »Und wen wollen Sie damit ermorden?«
    »Oh, ich dachte, Sie wüßten, was es ist.«
    »Was ist es?«
    Sie erklärte es ihm. Er runzelte die Stirn, und sie fragte:
    »Noch mal?«
    »Es ist ...« Jakob begriff nur langsam, daß es nur ein spezielles Getränk war.
    Sie ließ eine weitere Flasche rotieren. Und schüttelte über die Begriffsstutzigkeit des Studenten den Kopf. »Es ist das Heilwasser!«
    »Das Heil ...«
    »Genau, das Heil. Und nun gehen Sie schnell. Sie haben nichts gesehen, und ich habe Sie nicht gesehen.«
    »Ist das die Wirkung?«
    Sie lachte. Und erst jetzt verstand er vollständig, was in diesem Raum vorging. Er erinnerte sich nun an die Heilwassergeschichte im Büchlein des Pastors. Und er wußte, was mit dem Mann geschehen war, den er in der Kurve aufgefunden hatte. Eine Muskarin-Trance. (Verdammt, bin ich blöd!) Der Fliegenpilzextrakt war also schon 1880 nicht zufällig in die damals noch aus Keramik bestehenden Flaschen geraten – und bis heute hatte sich diese lebensgefährliche Tradition im Dorf gehalten.
    »Wer trinkt das?«
    »Wer das fragt, ertrinkt.« Sie stellte die Maschine ab. »Den letzten, der diese Frage gestellt hat, haben sie tot aus dem Lichter Moor gefischt.«
    Sie schob ihn mit beiden Händen hinaus. »Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Durch Zufall.«
    »Den kenne ich nicht.«
    »Die Tür war offen. Und was sind das für Geräte in den Kartons in dem anderen Raum?«
    Sie ließ kraftlos die Arme hängen. »Haben Sie auch den Haken an der Decke gesehen?«
    »Nein.«
    »Gehen Sie hinein, und hängen Sie sich daran auf. Wenn ich zurückkomme, sind Sie tot. Ist das klar? Es ist die beste Lösung für alle.«
    Sie nahm die

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