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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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flirren, so wie sie an einem heißen Sommertag flimmernd über dem Asphalt einer Straße liegt, obwohl es Nacht, kühl und windig war und das Mondlicht jetzt kaum noch durch die Wolken drang. Er wollte an eine Sinnestäuschung glauben, an eine Überanstrengung seiner übermüdeten Augen, doch er konnte es nicht. Schlagartig wurde ihm die Ahnung zur Gewißheit, daß etwas mit dem Dorf oder seinen Bewohnern absolut nicht stimmte. Auf der anderen Straßenseite erwartete ihn Trivial, hob seine Lefzen und schien ihn anzuknurren. Eine Täuschung. Jakob ging zu ihm, strich ihm über den Kopf.
    Möglicherweise gab es so etwas wie magnetische Kräfte, die sich in diesem Tal konzentrierten oder kreuzten, geheimnisvolle Ströme, die Ursache waren für die Luftbewegung und für das Benehmen der Bewohner.
    Der Hund sah ihn an, als zweifle er an seinem Verstand.
    Dann waren der Überfall des Wurstfabrikanten, die Gefangennahme durch den Pfarrer ebenso wie das Schnitzwerk des Tischlers, Katharinas Benehmen sowie das der Malerin und der Försterstochter selbstverständliche Folge geheimnisvoller Einflußnahme auf die Gehirne der Bewohner. Konnte man in den Ereignissen nicht sogar eine gemeinsame Richtung erkennen?
    Der Hund kommentierte Jakobs Gedanken, indem er überdrüssig die Augen zukniff. Der Student schüttelte den Kopf. Mit dieser Erkenntnis konnte er nicht schlafen gehen und auf einen neuen, glücklicheren Tag hoffen. Er mußte Katharina finden und versuchen, sie so schnell wie möglich aus dem Dorf zu bringen.
    Trivial wurde es zuviel. Er gähnte vernehmlich, rempelte Jakob an, streckte sich und trottete in Richtung Gasthaus.
    Jakob war am Eingang zu seiner Wohnung vorbeigegangen und versuchte nun, in die Fenster der Gastwirtschaft zu blicken, doch selbst wenn er sich auf die Zehen stellte oder hochsprang, gelang es ihm nicht.
    Er hatte nicht den Mut hineinzugehen. Er sah Trivial zu, der sein Hinterteil an der rauhen Hausmauer scheuerte, dann kehrtmachte und im Hof des Gasthauses verschwand.
    Vielleicht konnte man an einer Hintertür lauschen? Er folgte dem Hund, konnte ihn aber nicht mehr entdecken. Er rief ihn leise, ohne Erfolg, schwang sich auf die Laderampe und drückte gegen eine Tür. Sie gab nach. In dem dunklen Flur kam ihm der Gedanke, daß er sich so in größere Gefahr begab, als wenn er durch die Vordertür kommend auf seine Feinde gestoßen wäre. Ein Geräusch versperrte ihm den Rückweg. Am Ende des Flures wurde eine Tür geöffnet, und Jakob sprang auf der Flucht vor dem Lichtschein in einen offenen Seitenraum. Er tastete sich an einem Stapel Kartons entlang und versteckte sich dahinter. Er lauschte mit klopfendem Herzen, doch die Schritte kamen nicht bis zu ihm. Sie führten in einen der anderen Räume, kamen schnell wieder heraus und gingen zurück. Jakob wartete einen Augenblick, legte sich für den Fall der Entdeckung die Entschuldigung zurecht, er suche nur den Hund. Nicht sehr glaubwürdig.
    Durch alle Türen, die zur Gaststube führten, war ein leises Stimmengewirr zu hören. Vorsichtig wagte er sich aus seinem Versteck. Er hatte sich an das spärliche Licht gewöhnt, das von einer Hoflaterne durch die Milchglasscheibe eines schmalen, vergitterten Fensters fiel. Er entzifferte die Aufschriften der Kartons. Es waren elektrische Geräte, Fernseher, Videos, Musikanlagen darin. Wahrscheinlich handelte der Wirt oder seine Frau nebenbei damit. Er lachte stumm. Vielleicht war das alles gestohlen? Er trat wieder in den Flur, wollte zurück in den Hof, doch auch die Tür des angrenzenden Raumes stand offen. Die Verlockung war zu groß, hier noch einen Blick hineinzuwerfen. Eine Lampe mit grünem Schirm brannte über einem Arbeitstisch mit verchromten Geräten. Regale mit Flaschen, Gläsern, Etiketten und einem Destilliergerät an den Wänden. Fässer und große Plastikkanister standen im Raum und ein Gerät, mit dem man wohl Flaschen abfüllte und verschloß. Jakob nahm einige der Etiketten und hielt sie ins Licht. Sie gehörten zu den Likörflaschen, die er schon in der Gaststube bewundert hatte. Allerdings gab es hier Spezialitäten, die in dem Likörschrank nicht gestanden hatten: ein Pilz- und ein Tannenlikör. Wahrscheinlich ziemlich bitter und nur als Digestif zu trinken. Noch seltsamer: Es gab ein Etikett für Schinkenlikör. Entweder waren diese Sorten von so ungewöhnlichem Geschmack, daß sie niemand gekauft hatte, oder sie stellten eine Neuentwicklung des Wirtes dar. Erneut war die Tür zu hören,

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