Herzensach - Roman
fahren«, berichtete ihr Vater. »Er sagte, ihr könntet ja wie früher gelegentlich zusammen ausreiten.«
»Hat er es wirklich gesagt?«
Der Förster nickte. Sie sah ihm zweifelnd in die Augen. »Vater? Du hast vom Reiten gesprochen, nicht wahr?«
Er schwieg, zog seinen Mantel aus und knöpfte seine Jacke auf.
»Vater, ich mag es nicht, wenn du so etwas tust.«
»Du liebst ihn doch?«
Sie schlug die Augen nieder. »Ja, das weißt du.«
»Darf mir das Glück meiner Tochter nicht am Herzen liegen?«
Sie umschlang ihn mit beiden Armen. »Du weißt, was mich wirklich glücklich machen würde. Vielleicht sollte ich für dich auf Brautschau gehen.«
»Einem alten Baum pflanzt man nichts in den Schatten, da gedeiht nichts.«
Sie entdeckte das Gesicht des Hundes an der dunklen Fensterscheibe. »Trivial.«
»Und doch ist es wahr.«
»Ich meine den Hund.« Sie ließ ihn los, begleitete ihn durch das mit Geweihen und kleinen ausgestopften Jagdtrophäen geschmückte Wohnzimmer bis zu seinem Sessel am Kamin, auf den ein mächtiger Eberkopf herabschaute. Der bittere Keim des Mißverständnisses folgte ihnen.
»Mit fünfzig ist man nicht alt.«
»Ach, Claudia, ich habe die große Liebe meines Lebens schon gehabt. Jetzt laß mir den Wald und meine Hunde als Partner. Beide brauchen mich, und ich brauche sie. Das ist mehr, als manch anderer sagen kann.«
Er setzte sich stöhnend. Sie hockte sich zu seinen Füßen und legte ihren Kopf auf seine Knie.
»Und ich? Ich zähle nicht?«
Er strich ihr über das dunkle, kräftige Haar.
»Was wäre ich ohne dich? Erinnerst du dich an die Sage von den ruhelos wandernden Bäumen? Durch dich habe ich meinen Platz gefunden. Nun finde du deinen.«
Sie blickte mißtrauisch zu ihm auf. »Hör auf damit! Du weißt, was ich meine.«
»Natürlich, und du reitest mit ihm aus.«
»Er liebt mich nicht.«
»Du liebst ihn. Alles andere wird kommen. Denn er kennt dich nicht – nicht wie ich dich kenne.«
»Versprich mir, zu keiner Hundeausstellung mehr zu fahren.«
»Versprich du mir, mit ihm auszureiten.«
Sie nickte heftig, legte ihren Kopf wieder auf seine Knie. Einen Augenblick war nichts zu hören als das Ticken der großen alten Standuhr. Draußen schlug ein Hund an, verstummte aber gleich wieder. Vielleicht ist ihm die Kehle durchgebissen worden, dachte sie. Die beiden Besuche fielen ihr ein. Doch von Sabine Weber konnte sie kaum erzählen.
»Ein Fremder war hier«, sagte sie. »Du warst kaum gegangen, da kam er. Jakob Finn, ein Student. Er sagte, du kennst ihn.«
Der Förster nickte. »Du hast ihn reingelassen.«
»Ja. Er zeigte mir seine weiße Pfote und erzählte mir sein ganzes Leben. Er ist nett.«
Der Förster runzelte die Stirn. »Es kann sein, daß ich mich täusche, aber vielleicht stimmt nichts von dem, was er dir gesagt hat.«
Erschrocken hob sie den Kopf und blickte ihren Vater an. »Was ist mit ihm?«
»Ich bin mir noch nicht sicher, was er wirklich will.«
»Er war offen und lustig. Warum sollte er lügen? Er erzählte mir von seiner Arbeit und sagte, er hoffe auf die Zusammenarbeit mit dir.«
»Ich weiß es nicht, aber wir sollten vorsichtig sein. Hat er dich noch nach irgend etwas anderem gefragt?«
»Er interessierte sich für die van Gruntens.«
»Aha. Nun, du wirst ihm kaum etwas sagen können, was nicht allgemein bekannt ist.«
»Vater, was ist? Was gibt es für ein Geheimnis?«
»Er muß nicht der sein, für den er sich ausgibt. Aber noch ist alles eine vage Vermutung, nichts, was man herumtragen und aussäen könnte. Geduld, mein Kind.«
Der Förster stützte sich auf die Sessellehnen und kam hoch. »Verzeih mir, aber ich geh zu Bett. Die Forstarbeiter sind früh bestellt.«
Sie gab ihm einen Kuß auf die bärtige Wange und ließ ihn gehen. Er stieg die Treppe hinauf, sie griff zum Buch, las aber nicht, sondern lauschte auf die Geräusche ihres Vaters. Nach einer Weile stand sie auf, schlich die Treppe hinauf und legte das Ohr an die Zimmertür ihres Vaters: Zufrieden ging sie auf Zehenspitzen zurück, löschte das Licht im Haus und zog eine Jacke über. Geräuschlos öffnete sie die Haustür und schloß sie hinter sich. Sie sprang über den Sandweg, kletterte über ein Gatter und lief querfeldein. Atemlos erreichte sie die dunkle Seite des Bungalows und klopfte an eine der großen unbeleuchteten Scheiben. Die Glastür wurde aufgeschoben, und kräftige Arme umfingen das Mädchen, dessen Busen sich vom schnellen Atem hob.
»Ich bin
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