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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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andere Dinge sprechen.«
    »Aber vielleicht sollten Sie jetzt schon die Pachtverträge verlängern. Wer immer Herr von Herzensach ist, kann an bestehenden Verträgen nicht vorbei.« Der Pastor breitete ergeben die Hände aus. Der Förster und der Arzt widersprachen ihm. Jan lächelte säuerlich. »Schon gut, mein lieber Pedus. Mein Anwalt in Berlin sitzt längst über den Entwürfen. Obwohl die Pächter noch gar nicht murren.«
    »Die sind Ihnen auch selten treu ergeben«, bestätigte der Pfarrer. »Manchmal denke ich, die moderne Zeit ist an diesem Ort vorübergegangen.«
    Jan grinste. »So ein Unsinn. Schließlich schreiben wir das Jahr 1812!«
    Draußen in der Halle steckte die Haushälterin drei Umschläge in die Mäntel der Gäste. »Für Dr. Bernhard Andree« stand auf dem ersten. »Möge dies ein Beitrag sein, seine Forschungen voranzutreiben.«
    »Für Johann Franke«, war der zweite beschriftet. »Möge dies ein Beitrag sein, die Zuchterfolge zu vergrößern.«
    Der dritte trug die Aufschrift: »Für Rudolf Pedus. Möge dies ein Beitrag sein, der das Instrument zum Klingen bringt.«
    Danach öffnete die Haushälterin die große Eingangstür und trat in der Dämmerung auf die Freitreppe. Rechts, unter den erleuchteten Fenstern der Bibliothek, nahm sie Trivial wahr. Sie rief ihn. Er kam langsam heran, stieg die Stufen herauf und setzte sich neben sie. Sie strich ihm mit Daumen und Zeigefinger über die Kante seines Ohres – auf daß auch ihr die diskrete Großzügigkeit des Gutsherrn lange erhalten blieb. Soviel wußte sie: Die Landwirtschaft brachte kaum genug ein, um das Gut zu erhalten. Woher Jan soviel Geld nahm, diese Frage zu stellen verbot sich. Woher nahm er soviel Geld?

12
    Der Förster trank niemals soviel, daß er nicht bei klarem Verstand blieb.
    »Ein schwankender Baum reißt andere mit; ein aufrechter Wuchs gibt anderen Raum«, sagte er halblaut, um eine Kostprobe seines klaren Verstandes zu geben. Zufrieden mit dem Abend verließ er das Gutshaus. Die Pappelallee lag im schwachen Licht eines dünnen Mondes. Jan hatte sich wieder einmal als würdiger Nachfolger seines Vaters erwiesen. Nicht nur bei allen Fragen, die das Dorf betrafen, auch bei familiären Angelegenheiten holte er den Rat seiner drei Freunde ein. Mochte der Bürgermeister Reden schwingen, regiert wurde vom Gutshaus aus; und Johann Franke war einer der Minister. Seine Loyalität Jan gegenüber lag nicht in der äußerst großzügigen monatlichen Spende begründet, sondern in seiner Bewunderung für den umfassenden Intellekt und die Dynamik des jungen Mannes. Dieser Gutsherr wäre wahrhaftig ein wunderbarer Schwiegersohn. Der Förster wußte um die heimliche Liebe seiner Tochter. Und die beiden waren sich nicht unsympathisch. (Das Kitz reibt seine Decke an starken Bäumen.) Bei manchem Dorffest hatten sie miteinander gescherzt und getanzt, so daß man durchaus mehr als Freundschaft vermuten durfte. Immer wenn er im Gutshaus gewesen war, brachte der Förster Jans Grüße für die Tochter mit nach Hause. Die Zeit würde kommen, daß auch dieser van Grunten sich nicht mehr im Wind wiegte. Einmal, nach einem der Hundezüchtertreffen, hatte er den jungen Gutsherrn in Berlin gesehen. Der Durst hatte ihn nachts in eine Gaststätte getrieben. (Wo kein Wasser, wächst auch nichts.) Kaum hatte er sich gesetzt, bemerkte er, daß es sich um ein zweifelhaftes Etablissement handelte. (Wo Wasser ist, wächst auch Unkraut.) Doch schon stand der Kellner neben ihm, und im selben Augenblick entdeckte er Jan und einen etwa gleichaltrigen Mann – in Begleitung von zwei Damen, für deren Gesellschaft allem Anschein nach bezahlt worden war, denn sie gaben sich frivol, mit fast nackten Brüsten. Obszöne Gesten begleiteten ihr Gespräch. Es gelang dem Förster, unbemerkt zu bleiben und das Lokal bald darauf zu verlassen. Er verurteilte das Verhalten Jans nicht. (Ein junger Baum kann sich nach allen Seiten biegen, ohne Schaden zu nehmen.) Die Zeit arbeitete für ein braves Mädchen wie seine Tochter Claudia. Ihre achtundzwanzig Jahre sah man ihr nicht an. (Was lange im Schatten steht, blüht um so besser.) Das Blut ihrer Mutter hatte ihre Seele nicht verdorben. Ihre Mutter ... Er versuchte den düsteren Gedanken zu verscheuchen ... Sie war tot. Und trotz des elenden Anlasses ihres Sterbens und der Umstände seines letzten Blickes auf sie, unter der Aufsicht eines Gerichtsmediziners, war ihm ihr Gesicht sehr schön erschienen. So augenlos. Wie eine

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