Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
Vom Netzwerk:
Pflanze. Aber ausgerissen mit den Wurzeln. Tot, ermordet! Vertrocknet. Kein Wasser mehr.
    Von einem Unbekannten überfallen. Er hatte es nicht fassen können. Ein dummer Streit. Verdammte Eifersucht. Warum mußte sie so schön sein, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen. All diese Kerle mit Schaum vor dem Mund. Gib zu, gib zu, daß du dich ihnen hingegeben hast! Verdammt, hätte sie an jenem Abend nicht bleiben, sich still in die Küche setzen können, bis sein Zorn, der doch gar nicht ihr galt, sondern allen, die sie anschauten, verraucht war? Dumme Gans! Wäre es nicht sein Recht gewesen, sie umzubringen? Selbst dafür zog sie einen anderen Mann vor! Aus Enttäuschung verkroch er sich. Weit weg von den Menschen, die erst begriffen, was wirkliches Leid war, wenn mit ihnen genauso brutal verfahren wurde. Doch heute fanden Leidtragende, was er damals schmerzlich vermißt hatte: Trost! Was er damals erwartet hatte, Briefe von Menschen, die mitlitten und Mut machten, das verschickte er jetzt selbst, sooft er konnte. Denn der Wald war ihm ein wahrer Freund geworden, hatte ihm gezeigt, wie man das Leben der Menschen sehen mußte, wie die Beobachtung der Natur Trost spenden und Kraft geben konnte. Das war es, was der Förster an die Menschen in den großen Städten weitergeben mußte. Und er tat es ohne Aufsehen um seine Person. Was blieb ihm anderes übrig.
    Johann Franke straffte sich, zog die hochgeschlossene grüne Jacke unter dem leichten Lodenmantel glatt, begann kräftig auszuschreiten. Wie ein Atem kam die warme Luft vom Heidberg, und er roch den gesunden Schlaf des Forstes. Der Wald würde ihn niemals verraten.
    Er hatte das Ende der Pappelallee erreicht. An der Toreinfahrt lag Trivial, wartete wohl auf seinen Herrn, der sich bei den Treffen im Gutshaus immer als letzter verabschiedete. Der Hund hob schnüffelnd den Kopf, stand auf und streckte sich.
    »Hau ab!« zischte der Förster. Er sah die von den Laternen beleuchtete Dorfstraße entlang. Die Fenster der Häuser waren dunkel, nur in der Wirtsstube und in einem Gästezimmer darüber brannte noch Licht. Der Student! Er würde ihn einer peinlichen Befragung unterziehen.
    Johann Franke drehte sich um in Richtung Forsthaus.
    »Geh zurück!« befahl er Trivial, der ihm folgte.
    Nach ein paar Schritten sah er rechts über den alten Häusern das Licht, das nachts niemals erlosch: kräftige Scheinwerfer, die den Säuleneingang des Weberschen Bungalows in seiner fremdartigen monumentalen Häßlichkeit taghell erstrahlen ließen. Aus der Sicht des Försters besaß der Wurstfabrikant alles und zugleich nichts. Ein Mensch, der sich wie ein Räuber schöne Dinge nahm, sich ihrer bediente, ohne ihre innersten Geheimnisse, ihre wirkliche Schönheit zu erkennen.
    »Verdammter Mistköter, verschwinde!«
    Johann Franke bedauerte Wilhelm Weber und begriff nicht, warum seine Tochter ihn verteidigte. Weber sieht nur Holz, pflegte er seiner Tochter zu sagen, wo andere Bäume sehen.
    »Gehst du zurück!« Er trat mit dem Stiefel nach dem Hund. Trivial wich geschickt aus.
    Der Förster hatte die letzte gußeiserne Laterne der Dorfstraße hinter sich gelassen und sah die Lampe vor dem Forsthaus durch die Fliederbüsche blitzen. Er überquerte die Straße und bog in den Sandweg ein.
    »Elender Köter!«
    Der Weg stieg leicht an und führte am Forsthaus vorbei bis zu einem kleinen Bauernhof.
    »Haust du ab!«
    Das Haus lag im Schatten der hohen alten Kiefern und Fichten des Waldrandes. Das Erdgeschoß war aus roten Ziegeln gemauert, doch darüber erhob sich ein hölzernes Stockwerk, das mit kleinen grünen Holzschindeln verkleidet war. Wütend riß der Förster eine lockere Latte aus dem Zaun und drehte sich damit schlagbereit um. Doch Trivial war verschwunden.
    Johann Franke ging um das Haus zu seinen eigenen Hunden. Sie blieben ruhig, als er sich dem Zwinger näherte. Sie kannten seinen Schritt oder hatten durch den leichten Wind längst seine Witterung aufgenommen. Sie drängten sich schwanzwedelnd und schnüffelnd an die Gitter und versuchten seine Hände zu lecken. Er sprach ihnen beruhigend zu, nannte ihre Namen. Er sah, daß Claudia die Tiere gut versorgt hatte, und ging zum Hauseingang. Wie immer hatte seine Tochter auf ihn gewartet und sich mit einem Buch so gesetzt, daß sie den Eingang durch die Tür des Wohnzimmers im Blick hatte. Sie lächelte ihn an, nahm Jans Grüße entgegen.
    »Er wird wohl so schnell nicht wieder nach Berlin

Weitere Kostenlose Bücher