Herzensach - Roman
Er fand ihn in einer Ecke. Er rührte nachdenklich in einer Tasse Kaffee. Er trug eine Jägerkleidung aus dem Fundus.
»Jakob!« Er hob erfreut die Brauen und wies mit der Hand auf einen freien Stuhl. »Ich bin froh, daß es nichts wird. Herzensach ist wirklich eine Zuflucht, und die soll es bleiben. Es kommt mir sogar wie eine Insel vor.«
Ein Aufnahmeleiter ging händeklatschend durch die Gänge zwischen den Tischen. »Auf, auf! Es geht weiter!« Die Trachtenmädchen protestierten schwach. Er kam auch zu Johann Franke. »Das gilt auch für Sie.«
Der Förster sah auf und schüttelte lächelnd den Kopf. Der Aufnahmeleiter war schon vorbei. Erst jetzt bemerkte Johann Franke, daß sich Jakob nicht zu ihm gesetzt hatte. »Bitte, setzen Sie sich doch.«
»Ich bin nur gekommen, mich zu verabschieden.«
Johann Franke stand auf.
»Sie wollen zurück? Nach Herzensach?«
Jakob nickte heftig.
Der Förster sah ihm prüfend in die Augen. »Es ist nicht nur Ihre Arbeit?« forschte er.
Jakob schüttelte den Kopf und grinste. »Sagen wir mal: Ich glaube, es geht um mein Leben ...« Er reichte dem Förster die Hand.
»Dann wünsche ich Ihnen, daß Sie die richtige Entscheidung treffen.« Er amüsierte sich. »Sagen wir es mal so: Ich nehme an, Sie fahren nicht wegen meiner Tochter zurück.«
Jakob nickte. Das Gespräch begann unangenehm zu werden. »Grüßen Sie meine Tochter. Ich komme bald.«
»Katharina, ich möchte, daß du weißt, daß ich dich liebe und daß ich alles tun werde ... ach Mist!« Seit einer halben Stunde befand sich Jakob Finn auf der Autobahn und formulierte Sätze, die er Katharina sagen wollte. Doch alles, was ihm einfiel, klang entweder seltsam steif und förmlich oder war romantisch verkitscht. Bei solchen Worten würde sie ihn einfach stehenlassen und mit Trivial davongehen. Beide mit hocherhobenen Nasen. Dabei war es doch ganz einfach. Er mußte ihr nur sagen, daß er eigentlich gar keine Frau lieben konnte, das heißt, eigentlich schon, also ganz bestimmt sogar, nur war er in seinen Möglichkeiten einer Frau ähnlicher als einem Mann. Das galt es zu sagen.
»Katharina, bitte, hör mir zu. Ich verlange nichts. Ich quäle mich seit Tagen und möchte dir sagen ...« Oje, Katharina verschwand zwischen den Bäumen, und seine blöden Sätze hatten sich auch noch gereimt. Es mußte alles ganz anders sein. Aber wie? Vielleicht so: »Katharina, ich will dir nur sagen, daß ich die Männer, die du nicht magst, auch nicht mag, weil ...«
Jakob stöhnte auf. Genau solche verzwickten Sätze, die kein vernünftiges, sondern nur ein stotterndes Ende fanden, würde er wohl loslassen. Seine Lächerlichkeit war vorprogrammiert. Katharinas spöttisches Lachen dröhnte ihm schon im Ohr. Und selbst Trivial drehte den Kopf zur Seite, als hätte er ein Stinktier vor sich. Was sollte er bloß tun? Und wenn er sich einen Fürsprecher suchte? Es mußte doch jemanden im Dorf geben, dem er seine Liebe zu Katharina gestehen konnte und der für ihn den Boden vorbereitete. Die geeignetste Person war zweifellos Claudia. Doch sie war womöglich selbst in ihn verliebt. Ein Problem, das er auch dringend zu lösen hatte. Wen gab es noch? Wenn er zu dem Gutsherrn ging? Die Geschichte mit dem Weinstein-Nachfahren mußte sich doch nun in Luft aufgelöst haben. Alle im Dorf akzeptierten ihn, mehr noch: Sie ordneten sich ihm unter. Dieser Jan van Grunten hatte nicht nur die Position eines kleinen Königs, er spielte sie auch aus. Vielleicht mußte er sowieso seine Erlaubnis zu jeder Eheschließung geben. Eheschließung? Wollte er Katharina heiraten? Ja, das war es doch: »Liebe Katharina, ich will dich heiraten!«
Er lachte laut. Nein, so ging es auch nicht. Wenn er schon einen Heiratsantrag machen wollte, hatte er vorher noch etwas anderes zu gestehen: Dann mußte er unbedingt von seinem Unfall erzählen, sonst hätte sie falsche Erwartungen, falsche Vermutungen, falsche ... Vielleicht ein wenig verschlüsselt, etwa so:
»Meine Liebe zu dir ist bedingungslos. Du kannst tun und lassen, was du willst. Du kannst mich auf der Stelle heiraten oder mich in des Pastors Brunnen stoßen. Du hast keine Verpflichtungen. Ich verlange nichts, ich kann gar nichts verlangen, weil mein Verlangen ... Ich gebe dir alle Freiheiten, nur laß mich dir täglich sagen, daß ich dich liebe. Es soll mir genug sein. Ich will mich wie ein Hund zu deinen Füßen ...«
Jakob spürte, daß ihn die eigene Rührung überwältigte. So ein Quatsch. Alles war
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