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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Gewehr. »Du hast Schande über unsere Familie gebracht!«
    »Halt!« Jakob sprang aus dem Gebüsch, stellte sich zwischen Katharina und ihren Pflegevater. »Ich – ich werde sie heiraten!« Er fing die Ohnmächtige auf.
    Ach, nie schrieb das Leben Geschichten. Das Leben bestand nur aus Straßen, und in jedem Auto ein einsamer Mensch.
    Langsam versank die Sonne hinter dem Horizont, und als zum ersten - Mal Weinstein auf einem Wegweiser angezeigt wurde, hatte ihn sein Realitätssinn wieder eingeholt. Zusammengesunken saß er hinter dem Steuer, kaute auf der Unterlippe und probierte neue Versionen, Katharina seine Liebe und sein Gebrechen zu gestehen. Er wußte, er würde das noch die ganze Nacht tun, nur wenige Meter von Katharina entfernt, schlaflos in seinem Bett über der Tischlerei.
    Er bog von der Autobahn ab und konzentrierte sich auf die dunkle Strecke. Einmal war er schon auf dieser Straße in einen Sekundenschlaf gefallen, das sollte ihm nicht wieder passieren. Sicher erreichte er die Brücke über die Herzensach, bog um die Kurve, als die Scheinwerfer ein schwarzes Bündel am rechten Straßenrand erfaßten. Er stieg auf die Bremse, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr so weit zurück, bis die Scheinwerfer offenbarten, was er vermutet hatte. Da lag ein Mensch. Er stieg aus. Der Mann schlief, nein, er war betrunken. Jakob zog ihm die Flasche aus dem Arm. Er roch daran. Doch es war kein Alkohol. Er tauchte den Finger hinein. Es schmeckte wie Wasser. Der Mann trug die Kleidung eines Bauern. Jakob beugte sich über sein Gesicht, schnupperte, lauschte den Atemzügen des Mannes und schob dessen Augenlid hoch.
    Der Mann war nicht betrunken.

29
    Dorothee Wischberg bückte sich und entfernte in der Dämmerung mit einem Papiertuch den feuchten Fleck, den Trivials Schnauze auf der Scheibe der Ladentür hinterlassen hatte. Er mußte sie durch die Scheibe lange angestarrt haben, bis sie es bemerkt hatte. Sie glaubte nun, er habe ihr damit ein Zeichen geben wollen, vielleicht so wie damals vor sieben Jahren, als er ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – den letzten Anstoß gegeben hatte und sie in den Wagen gestiegen war, um ihren Mann zu bestrafen und ihr Leben zu verändern. Seitdem achtete sie auf die Zeichen, die ihr der Hund gab. Heute hatte sie Trivial nicht sofort bemerkt, doch als sie aufblickte und hinausging, hatte sich der Hund umgedreht und war verschwunden.
    »Was für ein reizender Hintern, wenn du dich bückst, dann ...«
    Erschrocken fuhr sie hoch. Ihr Mann hatte sich herangeschlichen und grinste sie an.
    »Halt's Maul!« fauchte sie und ging mit schnellen Schritten in den Laden. Hinkend folgte er ihr, kam gerade noch mit durch die Tür.
    »Was willst du?« Sie mochte es nicht, wenn er zu ihr kam. Auch er vermied normalerweise die direkte Begegnung. Sie tauschten die notwendigen Nachrichten über ihre Tochter aus. Die schlief bei der Mutter, aß und lebte aber im Gasthof.
    »Ich will was einkaufen.« Er tat so, als wäre er ein normaler Kunde.
    »Ich habe schon geschlossen.«
    »Sicher.« Er wußte wie jeder im Ort, daß ihr die vorgeschriebenen Öffnungszeiten egal waren. Nur die Mittagspause hielt sie streng ein.
    Sie ging nach hinten, um das Licht für den Laden und die Schaufenster einzuschalten, stellte sich dann hinter die kleine Theke mit der Kasse und blätterte in der dort aufgeschlagenen Zeitschrift. Ihr Mann stöberte zwischen den Selbstbedienungsregalen. »Du bist mir zu teuer«, brummte er von dort.
    »Du hast zwei Möglichkeiten, meinen Laden zu verlassen ...«
    »Ich weiß.« Er kam grinsend und mit erhobenen Händen hinter den Regalen vor. »Entweder ganz schnell oder als Leiche, stimmt's?«
    »So ungefähr.«
    Er ging an dem Zeitschriftenständer entlang und betrachtete die Titelseiten. Dann wandte er sich um, humpelte mit zwei großen Schritten zum Verkaufstresen und stützte sich darauf.
    »Ich will wissen, was oben vorgeht.« Er kaute auf seiner Unterlippe, so daß sein Spitzbart sich rhythmisch spreizte und hob. Da der Gasthof nicht unbedingt das Zentrum des dörflichen Lebens war, mußte der Wirt sich die Informationen aus unterschiedlichen Quellen besorgen. Aus seiner Sicht gab es nur drei Bewohner im Dorf, die über alles Bescheid wußten: seine Frau, die Frau des Arztes und der Hund Trivial.
    »Woher soll ich das wissen.« Dorothee Wischberg blickte von ihrer Zeitschrift auf.
    Sie maßen sich mit den Augen. Der Wirt gab auf. »Ich weiß, daß ich nicht wissen soll, was ein

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