Herzensangelegenheiten
seiner Einheit waren nach Laos neben ihm weitere zwei Leute ausgestiegen. Einer war tot, der Andere lebte heute von einem Job als Tellerwäscher. Samuel war mit seinen Leuten nicht in Kontakt geblieben, aber auf dem Laufenden hielt er sich seit Jahren, denn das war das Einzige, was ihn damals davon abgehalten hatte, völlig den Verstand zu verlieren.
Das Wissen darum, wie ehemalige Kameraden von ihm abgestürzt und nie mehr auf die Füße gekommen waren, und die panische Angst davor genauso zu enden, hatten ihn gerettet. Bis Amber gekommen war. Sie hatte wieder Licht in sein Leben gebracht. Seine Tochter hatte ihm gezeigt, dass es wichtig war, dass er lebte. Für sie. Mit ihr. Sie war sehr lange Zeit das Wichtigste in seinem Leben gewesen. Nicht mal seine Eltern und Kendrick hatten denselben Stand eingenommen wie Amber. Jetzt hatte er neben seiner Tochter und seiner Familie auch noch Devin, und Samuel wollte nie mehr ohne ihn sein.
„Erzähl's mir“, bat Devin leise.
Samuel verzog beschämt das Gesicht. „Verlang' das nicht von mir.“
„Ich verlange es nicht, Sam, ich bitte dich darum.“
„Devin...“
„Soll ich raten?“
Zeitverschwendung, dachte Samuel. Devin wusste es wahrscheinlich sowieso schon. „Kannst du es nicht einfach sein lassen?“
„Damit du dich weitere sechs Jahre damit quälst?“ Devin legte ihm eine Hand unter sein Kinn und zwang Samuel dadurch ihn anzusehen. „Was wäre ich für ein Freund, wenn ich das tue? Was würde Eric von mir denken, wenn ich zulasse, dass du dir an seinem Tod die Schuld gibst?“ Devin schüttelte energisch den Kopf, als er etwas sagen wollte. „Dominic hat dasselbe getan. Viele Jahre lang gab er sich für meinen Unfall die Schuld, dabei war er genauso wenig schuldig wie du.“
„Eric ist tot!“
„Wie so viele andere Soldaten, Sam.“ Devin sah ihn ernst an. „Wie viele aus deiner Einheit haben es nicht geschafft? Wie viele haben sich das Leben genommen oder sind vollkommen abgestürzt? Du weißt es ganz genau, nicht wahr?“
Samuel spürte das Zittern seiner Lippen, als er versuchte Haltung zu bewahren, aber es funktionierte einfach nicht. „Insgesamt oder nur in den letzten sechs Jahren?“
„Erzähl's mir, Sam“, bat Devin erneut und ließ sein Kinn los, um ihm stattdessen liebevoll über die Wange zu streicheln, dabei die restlichen Spuren seiner Tränen wegwischend. „Hör' auf, ein Soldat zu sein. Sei mein Freund. Bitte, Sam, sprich mit mir.“
„Ben und Marc sind nach Laos ausgestiegen. Sie konnten es einfach nicht mehr ertragen. Ben hat sich sieben Monate später eine Flinte in den Hals geschoben, Marc jobbt heute als Tellerwäscher.“ Samuel lehnte sich gegen Devins Schulter. „Mickey, der eigentlich Michael heißt, ist immer noch ein Marine. Kannst du dich an Afghanistan erinnern? Der Skandal um diese Bilder mit Selbstmordattentätern?“ Devin nickte, als er ihn kurz ansah. „Er war dabei. Hatte sich ein Jahr zuvor versetzen lassen, weil er Geld brauchte und Einsätze wie diese sehr gut bezahlt werden. Heute bildet er Rekruten aus.“
„Sie lassen ihn Rekruten ausbilden?“, fragte Devin überrascht.
Samuel nickte. „Wer soll die Jungen sonst ausbilden? Er gehört zu denen, die da drüben waren. Er hat die Erfahrung, die Ausbilder in dem Job brauchen. Es geht nicht ohne Leute wie ihn.“
„Mein Gott“, murmelte Devin und Samuel konnte verstehen, dass er so dachte. Ihm selbst ging es nicht anders. „Warum hast du dich so lange informiert, Sam?“
„Das weißt du doch längst“, versuchte Samuel sich um eine Antwort zu drücken. Ohne Erfolg.
„Ja, das weiß ich. Ich möchte aber, dass du es aussprichst.“
„Warum?“
„Weil du sonst irgendwann daran ersticken wirst.“
Devin kannte ihn wirklich verdammt gut. „Ich wollte nicht so mein Leben fristen. Tot, heruntergekommen oder verrückt. Ich hatte eine Scheißangst abzustürzen und jedes Mal, wenn ich soweit war, dass ich dachte, ich kann nicht mehr, habe ich mir ihre Akten angesehen und dabei gesagt, das wird aus dir, wenn du nachgibst.“ Samuel war übel. Er schämte sich so sehr dafür. „Nur deswegen habe ich nicht nachgegeben. Ich wollte nicht so enden.“
„Du musst damit aufhören“, bat Devin eindringlich und brachte ihn dazu, sich auf seine Beine zu setzen, damit er ihn eng in die Arme nehmen konnte. „Du musst aufhören, dich dafür zu schämen, was du all die Jahre über sie gedacht hast.“
Verdammt, verdammt, verdammt. Devin wusste es
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